Wiesn Tagebuch – noch 31 und der Rest von heute

Dampfwurscht-Schlacht

Dachau hat eine wunderbare Tradition. Jedes Jahr zum Volksfest werden die Senioren aus Stadt und Land Dachau eingeladen. Jeder Senior bekommt eine Maß Bier, 2 Paar Dampfwürscht mit 2 Semmeln und Senf und sogar das Bedienungsgeld bezahlt die Stadt. Pro Senior 24 Cent. Brutto. Für zwei Bedienungen. Einer holt Bier, der andere die Würscht.

Münchner Merkur foto: be
Münchner Merkur foto: be

„Freilein – sans ma ned bös, aber die Würscht iss i ned, de sa ja aufgeplatzt!“ Gar kein Problem. Sehr gerne laufe ich zurück und hole eine neue Portion. „Oh, de Maß is aber schlecht ei´gschenkt! De müssen´s nachschenken lassen!“ Sehr gerne, kein Problem. Natürlich. „I hätt gern a Besteck, bitte bringens mir doch eins!“ NEIN! Also nicht, weil ich nicht will. Oder weil ich unhöflich bin. Aber Besteck bekommen die Herrschaften nicht von mir. Warum nicht? Oh das erkläre ich gerne. Aber ein andermal.

Da ist jetzt ein ganzes Bierzelt voll mit alten Menschen. Ganz bezaubernde Menschen, die sich des ganze Jahr auf diesen Tag freuen. Die hier bei uns im Zelt „alte“ Bekannte wieder treffen. Die Blasmusik hören und mit dem Zeigefinger mitdirigieren. Die ihre Maß genießen und ratschen. Vereinzelt verlaufen sich natürlich auch ein paar Grantler in das Zelt. Die sitzen dann alleine am Tisch, mampfen ihre Würscht und schauen einfach nur grantig. Dann sind da auch ein paar so alte Menschen, die eigentlich gar nicht mehr im Bierzelt sitzen können. Die haben Betreuer dabei. Haben die Servierte um den Hals gebunden und werden mit Würscht gefüttert. Alle haben irgendwie Spaß. Es ist ein total verrücktes Bild. Wo gestern Abend noch die Jugend zu „Ham kummst“ auf den Bänken getobt und gefeiert hat, sitzen heute die Senioren und genießen die Bayerische Bierzeltkultur.

Süddeutsche Zeitung Niels P. Joergensen
Süddeutsche Zeitung Niels P. Joergensen

„Mei so a nette Bedienung. Warum san denn sie eigentlich Bedienung geworden?“ fragt mich eine nette alte Dame. Einfach so, sprudelt folgende Antwort aus mir herraus: „Weil ich als Altenpflegerin gänzlich ungeeignet bin!“ ich muss lächeln. Sie auch. Als ich es ausgesprochen habe fällt mir auf, was ich da grade gesagt habe. Aber es entspricht nun mal der Wahrheit. Nichts desto trotz, ich habe Hochachtung vor diesem Job. Ich könnte es nicht. Neben den vielen wirklich lieben und netten alten Leuten die bei mir im Service gesessen sind, sitzen jedes Jahr auch wirklich echt böse Menschen da. Richtig grantige. Menschen, bei denen du des Gefühl hast, die Schikanieren dich mit Absicht. Und HEY! Ich hab euch doch gar nichts getan. Ich habe freundlich gelächelt und euch gebracht was ihr wolltet. Freut euch doch. Aber die freuen sich nicht. Deren Leben hat sie so böse werden lassen und gemein. Und das lassen die dann an mir aus – oder natürlich auch an allen anderen Bedienungen die hier arbeiten.

Weil ich aber von Herzen gerne lache und weil ich finde, dass unser Leben eins der schönsten ist, nehme ich mir jedes Jahr am Seniorentag wieder folgendes vor: der oder die Eine die da sitzen und so richtig grantig sind – die steck ich mit meiner guten Laune so lange an, bis sie entweder gehen, oder einfach mitlachen.

Beides passiert. Der alte Mann mit Hut ist einfach aufgestanden und gegangen und hat dermaßen geschimpft, dass andere Bedienungen gleich gefragt haben was ich gesagt habe. „Einen wunderschönen guten Tag der Herr, was darfs denn für Sie sein heute?“ „Frog ned so bläd, bin da wega de Gutscheine!“ „Sehr gerne der Herr, derf´s a Bier sein, oder lieber a Radler? Alkoholfrei?“ „Bier!“ „Sehr gerne. Derf i die Würscht auch glei bringa, oder warten Sie lieber noch?“ „Moanst i wui verhungern?“ „An kloana Moment bitte, kommt sofort, wenn´s mir dann bitte die Gutscheine geben“ natürlich alles mit einem bezaubernden Lächeln auf den Lippen „Arbat du erst moi was bevorst a Geld griagst!“ Ich grins immer noch. „Wissen Sie, ich bekomme die Sachen nicht, ohne die Gutscheine“ „Z´bläd zum grodaus laffa!“ „Gut, sie können es sich ja noch überlegen, wenn Sie die Bestellung dann haben wollen, geben Sie mir einfach die Gutscheine!“ „A so a bläde Kuah“ dann steht er auf und geht!

Die alte grantige Dame, hat mich irgendwann angelacht und ganz verschämt zugegeben, dass es schön ist, wenn junge Leute noch so viel Spaß an der Arbeit haben. Mei is des schee.

 

16:53 Uhr

Wir sind jetzt 6 Stunden für die Dachauer Senioren gelaufen – macht unter dem Strich 17,28€ für zwei Leute. Pro Person also 8,64€. Brutto. 1,44€ Stundenlohn. Im Volksmund würde man das „ehrenamtliche Tätigkeit“ nennen. Die ist Steuerfrei. Eigentlich. Wir nennen es „Jedes Jahr eine gute Tat!“

Und eins ist ganz klar: Bei der Endabrechnung am Himmelstor, wenn ich dann vor dem Petrus und dem Michael stehe und meine Fegfeuer Jahre verhandelt werden – genau an dieser Stelle werde ich die jährliche Dampfwurscht-Schlacht von Dachau anrechnen lassen. Da kann ich die vermutlich gut brauchen.

Luhja sog i!

Morgen: Geschichten aus´m Bierzelt

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