Wiesn Tagebuch – noch 22 und der Rest von heute

Das Besteck der Bedienung

Das jede Bedienung und jeder Kellner sein G´wand selbst kauft, habe ich ja bereits vor einigen Tagen erörtert. Aber selbstredend reicht das gute Kleidungsstück nicht aus. Bedienungen haben ja viel mehr. Geldbeutel und Gürtel, Täschchen für Salz, Pfeffer und Zahnstocher. Ein paar persönliche Dinge wie Handy, Zigaretten, Kaugummi und Handcreme. Lappen zum Tisch wischen, Block zum Bestellung aufnehmen, Klammern um die „Buchhaltung“ am Dirndl zu befestigen. Das Alles trägt Frau und Mann am Körper. Zur Ausstattung gehört aber noch viel mehr: Putzeimer und Wischmop, Lappen und Schwamm, und ganz wichtig: ein Schlitten. Schlitten sind große Holzbretter mit kleinem Rand. Manchmal ganz einfach, manchmal kunstvoll verziert. Die meisten sind stundenlang ausgetüftelte Handarbeit. Leicht müssen sie sein, aber stabil. Handlich müssen sie sein, aber großgenug um ausreichend Teller drauf zu stapeln. Schlitten werden nicht vom Bierzeltwirt gestellt. Die kauft, bastelt und baut sich jeder selbst.

Ohne Schlitten wäre die Arbeit im Bierzelt um einiges anstrengender. 4 Teller kann man schon mal gleichzeitig durch ein Zelt tragen. Wenn sie nicht zu heiß sind. Mehr geht nur selten. Auf dem Schlitten balancieren wir 10, 12, 14 oder manchmal noch viel mehr Teller zwischen den Bänken und Tischen zu unseren Gästen. Aus der Hendlküche komme ich auch schon mal mit 18 Tellern, dreistöckig aufeinander gestapelt. Das liegt daran, dass ein halbes Hendl keine Beilage und keine Soße hat. Deswegen kann man die Teller besser stapeln.

Bierzelt hin oder her. Unsere Gäste essen gerne mit Besteck. Mit Messer und Gabel. Wie zivilisierte Menschen eben Nahrung zu sich nehmen. Und sind wir ehrlich – ein Hendl mit den Fingern essen, das geht. Schweinswürstl auch, Sauerkraut nicht. Die Vorstellung, dass jemand den Knödel vom Schweinebrate mit den Fingern ist – zaubert mir gleich ein Lächeln ins Gesicht. Jetzt kommt die Faszination Bierzelt: sehr gerne stellt der Wirt Besteck zur Verfügung. Und die Kosten für diesen Mehraufwand – die bezahlen die Bedienungen. Sehr richtig, ihr habt euch nicht verlesen. Es ist gang und gäbe, dass vom Servicepersonal im Laufe des Volksfestes „Besteckgeld“ eingesammelt wird. Warum? Gerne hier die Erklärung:

Im Restaurant beginnt der Dienst mit dem Eindecken der Tische, weit bevor die ersten Gäste kommen. Der Service nimmt das gewaschene Besteck aus der Spülküche, poliert es nochmal und deckt es dann ein. Im Bierzelt eindecken ist unpraktisch. Die einen essen, die anderen kommen nur auf eine schnelle Maß. Das kann man vorher nicht wissen. Früher haben die Bedienungen sich, nachdem sie ihre Stationen sauber gemacht haben, zusammen gesetzt und das Besteck in Servierten gewickelt. Messer, Gabel, Serviette und einrollen. Wenn das 50 Bedienungen aus der Frühschicht machen, kommt eine Menge Besteck zusammen. Gereicht hat es nie. Grundsätzlich war am Abend, gegen 18:30 im größten Stress die Kiste mit dem gewickelten Besteck leer. Es braucht eine neue Lösung. Man kauft bereits in Servietten gewickeltes Besteck. Sehr praktisch. Das ist aber natürlich teurer als „loses“ Besteck. Wer zahlt die Differenz? Der Service. Also die Bedienungen.

Folgende überlegung möchte ich trotz allem an dieser Stelle noch loswerden:

Servicepersonal im Restaurant arbeitet auf Stundenbasis. Im Bierzelt nur auf Provision. So lang ich Besteck einwickle verdiene ich natürlich kein Geld. Es bringt mir auch nachher nicht mehr Geld, weil meine Gäste nicht mehr oder weniger bezahlen. Die Stunde, die ich aber noch im Bett liegen bleiben kann, die bringt mir einiges. Vor allem Erholung. Ich nehme das gewickelte Besteck sehr gerne an. Allerdings stelle ich mir schon die Frage: ist es wirklich völlig korrekt, dass ich als Bedienung diesen Mehraufwand bezahlen muss? Ich meine, wie stellt der Wirt sich das denn vor? Ohne Besteck? Geht ja nicht.

Gast: „Einen Schweinebraten bitte!“

Bedienung: „Sehr gerne kommt sofort“

Nach 2,3 Minuten kommt die Bedienung mit dem dampfenden Teller um die Ecke

Bedienung: „Bitteschön, dass mach 9,80€“

Gast: „Ich habe eine Hendlmarke, wie viele bekommen Sie dann noch?“

Bedienung: „Dann wären es noch 2,28€“

Gast legt 2,30€ abgezählt auf den Tisch. „Des bassd scho, der Rest ist für Sie. Ach, und könnten Sie mir bitte noch zwei Mal Besteck bringen, die Kinder wollen bei uns mitessen?“

Nochmal zum Mitschreiben. Der Gast hat mir jetzt grade 2 Cent Trinkgeld gegeben. In Worten zwei Cent. Er möchte jetzt von mir zusätzlich noch Besteck bekommen, welches ich von meinem Trinkgeld bezahlen muss. Von den zwei Cent. Die er mir grade gegeben hat. So läuft des nicht. Ehrlich nicht. Wenn das alle so machen würden, dann müsste ich Geld mitbringen wenn ich im Bierzelt arbeiten will.

Aber natürlich läuft es nicht immer so. Das sind minimale Ausnahmen. Wenn ich Zeit habe und gute Laune, dann erkläre ich das meinen Gästen ganz in Ruhe. Dann verstehen die das. Und der Großteil ist dann auch einsichtig. Ein paar wenige nicht. Da ist aber sowieso Hopfen und Malz verloren.

Eins würde ich Euch, liebe Leserinnen und Leser, an dieser Stelle gerne mit auf den Weg geben: egal wer das Besteck am Ende bezahlt. Ist es wirklich immer notwendig, zwei oder gar dreimal Besteck zu haben und dann noch einen extra Teller, oder geht´s manchmal auch mit viel weniger. Also ich meine jetzt generell. Brauchen wir wirklich immer alles doppelt und dreifach? Im Übermaß? Besteck ist da jetzt vielleicht in der Tat ein blödes Beispiel, welcher Mann isst schon gerne mit der Gabel, die vorher bei der Angebeteten im Mund war?

„Ui, schau, mei wie liab die zwoa san. Geben sich a Bussi.

Ui schau, des ist gar kein Bussi mehr, die Schmusen ja direkt.

Ja Himmiherschaftszeiten, ham denn die kein zu hause, der erwischt mit seiner Zunge ja gleich ihr Zapfal!“

Morgen: noch 3 Wochen

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