Dem König ein Tänzchen
Was dem Bayer sein Trachtenverein, ist dem Rheinländer sein Schützenzug. Bruderschaften, Schützenzüge, Könige, Minister und Blumenhornträger. Dazu jede Menge Fußvolk. Die Herren in Uniform, die Damen im Abendkleid. Wie es sich für Uniformträger gehört: sauber und ordentlich. Weiße Hose, schwarze Schuhe, weiße Handschuhe, Jacke in grün, Hut und ein Gewehr. Ohne Schusswaffe ist Mann ja nicht mal ein halber Schütze. Die ausgeprägte Schützenzunft im Rheinland kommt aus der Zeit der Bürgerwehren. Als Soldaten nicht zu Hause waren, sondern an sämtlichen Fronten fernab der Heimat kämpften. Als Haus, Hof und Kinder vor Plünderern verteidigt werden mussten, entstanden Bruderschaften und Bürgerwehren. Vereinigungen, die zusammenhielten, wenn es drauf ankam. Die sich um soziale Belange und den Schutz derjenigen bemühten, die Schutz benötigten. Heute ist so etwas dank unserer Exekutive nicht mehr notwendig. Auch dank unserer Zivilisierung. Der Grundgedanke der Schützenbruderschaften ist jedoch noch immer an alte Werte angeglichen: Soziales unterstützen, Zusammenhalt fördern und Geselligkeit erhalten. Das Ganze in einem wahrlich christlichen Gedanken. Die Waffen haben die Schützen heute gegen Imitate aus Holz getauscht. Aus den Läufen kommen keine Kugeln oder Patronen mehr, sondern dort leuchten rote, gelbe und orangene Püschelblumen. Geschossen wird dennoch: beim Vogelschuss wird der neue König ermittelt. Natürlich keine echten Vögel, sondern Tontauben werden von der Stange geholt. Die majestätische Rangfolge wird strikt eingehalten. König, Minister, Hauptmann, Spieß, diverse Beiräte und der Präses. Jedes für sich ein wichtiges Amt. Meistens mit viel Arbeit verbunden. Dieser geschichtliche Hintergrund erklärt leidlich, warum ein rheinisches Schützenfestzelt was komplett Anderes ist, wie ein bayerisches Volksfest. Im Grundgedanken ist es aber selbstverständlich gleich: Tradition erhalten. Während in Bayern der Trachtenumzug zur Tradition eines jeden Volksfestes gehört, ist es auf einem Schützenfest eben der Marsch der Schützenzüge – samt Stechschritt mit gradem, gestreckten Bein. Und noch etwas ist anders als in Bayern: bei uns Daheim, tanzen die Volkstanzgruppen für die Ehrengäste. Buam und Madln plattln. Bandltanz. Goaslschnoitzn. Am Schützenfest gehört der Königstanz zum Highlight. Und hier tanzt selbiger persönlich. Mit seiner Dame. Das erklärt, warum es im rheinischen Bierzelt eine Tanzfläche braucht. Könige samt Gefolge marschieren ein. König und Minister tanzen mit ihren Damen, die Ehrendamen paradieren im inneren des Kreises der von der von Blumenhörnern und Offizieren gebildet wird. Das Fußvolk steht außen um diesen Kreis, klatscht, schunkelt und tänzelt ein bisschen mit. Bis es am Ende des Tanzes dann heißt: Im Stechschritt zur Theke!
In Bayern wird vor der Tür unter den Augen des Herrgott marschiert. In der Dorf- oder Stadtmitte geht es los, quer durch die Stadt bis hin zur „Festwiese“ (Obwohl die Festplätze heute schon lang keine Wiesen mehr sind) am Zelt angekommen – ausatmen, hinsetzten, Bier genießen, essen, ratschen und sauber „ogstraat“ heimgehen. Und während die Trachtler ihre zweite Maß genießen, wird auf der Bühne der bayerischen Volkstanztradition gefrönt.
Aber der Bayern an sich lässt sich eben lieber bespaßen, als dass er bespaßt. Heißt: er schaut gerne zu!
Kurz und gut: die Volksfeste in den verschiedenen Regionen unseres Vaterlandes haben unterschiedliche Historie. Ganz unterschiedliche Ursprünge und gänzlich unterschiedliche Traditionen. Aber in einem sind sie sich auch völlig gleich: es geht immer um Geselligkeit. Darum alte Gepflogenheiten zu wahren. An das zu erinnern was uns ausmacht. Das fortzuführen, was unsere Vorfahren geschaffen haben. Es geht darum, Überzeugungen und Glaubensvorstellungen an die nächste Generation zu überliefern. Und das ist wundervoll. In einer Zeit die immer schneller „fliegt“ die keine Zeit für Geselligkeit hat, die aus Egoismus keinen Platz für Zusammenhalt bietet.
Einzig folgende Frage bliebe vielleicht noch unbeantwortet an dieser Stelle: warum muss man sich dann bei diesen „Traditionellen Festzeltveranstaltungen“ dauernd mit Bier betäuben? Muss man nicht. Man kann es auch einfach nur genießen. Mal eins. Mal mehr. Aber Bier gehört eben genauso so zu unserer Tradition wie Trachten, Musik, Religion und vieles Anderes.
In diesem Sinne: genießt die Volksfeste, erhaltet die Tradition, seit offen für Andres und zeigt Anderen unsere Tradition.