Das Leben gibt heut einen aus.
Der Freitag ist der Tag zwischen den Zeilen. Ein paar müssen trotz allem heute arbeiten. Ein paar wissen heut noch nicht wie sie heißen und paar wachen auf und suchen die wunderschöne Piratenbraut von gestern – finden aber nur einen billigen Abklatsch von Hella von Sinnen neben sich im Bett liegen.
Kurz und gut: solang der Herrgott uns Tageslicht schenkt, verstecken wir uns. Kühl und dunkel lagern. Steht ja schon auf den Flaschen, deren Inhalt wir gestern in unbeschreiblicher Menge in uns geschüttet haben.
Ein vorsichtiger Versuch, warmes Leitungswasser oral zuzuführen endet mit einem Anflug von Übelkeit. Der Gedanke an feste Nahrung lässt den Magen sofort Samba tanzen. Ein Blick in das Handy beweist allerdings: so schlimm war´s nicht. Keine Liebeserklärungen. Keine Beleidigungen. Weder geschrieben noch bekommen. Und beim Durchsehen der Fotos stelle ich fest: ich war dabei. UND ich kann mich erinnern.
Geben wir dem Körper noch ein bisschen Zeit. Der hat einiges zu verarbeiten. Und Stress habe ich heute auch nicht. Erst wenn die Sonne untergeht, wird mein Typ wieder verlangt. Bis dahin kann ich mich kurieren.
2 Stunden später…
Es ist jetzt Elf Uhr. Diese Uhrzeit verfolgt mich. Unsere Karnevals-WG wird langsam wach. Man trifft sich im Wohnzimmer. Erste Erfolgsmeldung des Tages: wir sind vollzählig. Und nicht mehr als wir sein sollten. Allerdings werden gleich nach dieser Feststellung auch die ersten Verluste verzeichnet. Die Challenge für gestern Abend lautete: Geh als Indianer aus dem Haus und komme NICHT als Sheriff wieder. Ja, ich erkläre das gerne an dieser Stelle: Das ein oder andere Accessoire das eigentlich fester Bestandteil eines Kostüms ist, wechselt (gerne auch mal ungewollt) den Besitzer. Wenn es sich dabei nur um den Hut oder das „Gewehr“ handelt ist das alles ja noch im Rahmen des Möglichen. Also Andenken oder auch Trophäe tauscht man hin und wieder gerne mal Verkleidungsgegenstände aus. Je nachdem wie „intensiv“ die Begegnung war – kann es passieren, dass man (hier tatsächlich ausverstehen) mehr tauscht als nur Accessoires. Auf bayerisch übersetzt: hinterm Bierzelt! Mehr sog i ned.
In unserem Fall: der Dienstälteste unserer WG ist soeben in lindgrünen Leggins aufgewacht. Die WG hat er gestern jedoch (wie wir Alle) in Lederhosn verlassen. „Was ist denn mit dir passiert?“ frage ich, als er in voller Montur in unsere Küche kommt. Er schaut mich an, grinst und wedelt mit einem ganzen Haufen grüner Scheine vor meiner Nase rum: „Auf dem Weg von der Altstadt zur Wohnung, haben mir zwei Männer angesprochen, denen hat meine Lederhose so guad gefallen, dass sie mir ein paar Hunderter in die Hand gedrückt haben und mir die Hosn unterm Arsch weg kafft hom!“ in schönstem Münchnerisch erzählt er dann die ganze Geschichte. Und wenn ich es nicht selbst sehen würde – ich würde es nicht glauben. Ansonsten fehlt ein Trachtentut und ein Schuh – wo der Schuh abgeblieben ist, kann man jetzt nicht mehr nachvollziehen. Ist ja auch nicht ganz so schlimm.
Ich gehöre eher zu der Sorte, die mit mehr heimkommt, als sie weggeht. Daher habe ich ein deutliches Plus an Karnevals-Utensilien zu verzeichnen: eine neongelbe Sonnenbrille. Einen roten Pailletten-Hut und eine Krawatte. VIVA COLONIA.
Den Nachmittag verbringen wir alle samt mehr liegend als sitzend. Abwechselnd geht immer mal einer zum Mäci und holt Kaffee für die ganze Mannschaft. Gegen 16 Uhr kommt dann Leben in die WG, die ersten Anzeichen von Bierdurst machen sich breit. Also ab in die Maske. Unser WG Motto heute: die 60 Jahre.
Haare toupieren, Petticoat, Hosenträger, Lederjacke und rote Lippen. Und bis wir schauen, sitzen wir bei einem frischen Kranz flüssigen Gold in einer Brauerei und kämpfen mit dem ersten Schluck. Der tut weh. Der zweite ist greislig. Der Dritte ein Angang – aber dann, dann geht’s. Noch mal zur Erinnerung – wir sind immer noch in Köln. Der erste Schluck ist als gleichzusetzen mit dem ersten Glas. Gut vorgewärmt und auf den Geschmack gekommen, versucht der ein oder andere es noch mit fester Nahrung: von Appachen-Zipfe bis Süppchen. Die Speisekarte hat für jeden Magen das richtige parat.
Dann geht’s in die nächste Kneipe. Wir brauchen Musik und Tanz und weniger Licht. Dort sind wir zu Beginn auch vorerst die einzigen Gäste. Köln schläft nämlich noch. Soll sich aber bald ändern. Und dann, als die Sonne hinter dem Dom irgendwann in der Unendlichkeit verschwindet, wacht Köln auf und es ist wie am Tag zu vor. Laut und bunt und herrlich. Das Kölsch läuft, die Musik animiert zum Mitsingen (also zumindest die, die es können) und die roten Lippen… naja, die verführen. Zum Bütze und zum Lachen.
Was in Köln passiert bleibt in Köln. Die Anekdötchen und die Geschichten. Aber ich kann Euch sagen: es war herrlich! Das Leben gibt heut einen aus:
Um halb drei in der Früh trifft sich alles in der WG. Wir erzählen noch ein bisschen. Und dann fallen alle ins Bett. Morgen ist ein neuer Tag – Kölle Alaaf!