Das unser Märchenkönig ein Faible für schöner Schlösser hatte ist weithin bekannt. Linderhof, Herrenchiemsee und natürlich Neuschwanstein sind die drei berühmtesten Bauwerke von König Ludwig II. Allerdings, die schönste Architektur wäre nichts wert, wenn die Landschaft nicht schön ist, in die sie gesetzt wird. Aber auch dafür hatte unser Wiggerl ein Händchen.
Ich brauche ein bisschen frische Luft und ein bisschen Berge und ein bisschen Bayern. Also mache ich mich auf den Weg nach Füssen. Genauer gesagt nach Hohenschwangau. Hier wurde 1869 das Schloss Neuschwanstein errichtet. Bauherr war unser Märchenkönig. Ihm schwebte eine idealisierte Vorstellung einer Ritterburg aus der Mittelalterzeit vor. Hat er hingekriegt wie ich finde. Wenn gleich er nur wenige Monate in dem Schloss wohnte und die Fertigstellung nicht mehr erlebt hat – ein grandioses Bauwerk ist es allemal. Das Schloss Neuschwanstein ist aber heute nicht direkt mein Ziel. Viel mehr die herrliche Landschaft am Fuße dieser majestätischen Konstruktion. Während unzählige Touristen mit Bussen und Kutschen die Teerstraße entlang zum Schloss chauffiert werden, werde ich die Wanderwege erkunden. Schließlich bin ich in München zur Schule gegangen – Neuschwanstein und Schlossbesichtigung steht bei uns im Lehrplan. Wandern um den Alpsee allerdings nicht.
Der bayrisch weiß-blaue Himmel schreit gerade nach einer ausgiebigen Outdoor Aktivität. Wanderwege und die dazugehörigen Beschreibungen gibt es im Internet zu Hauf. Daher möchte ich mich an dieser Stelle nicht auch noch einreihen. Gerne könnt ihr aber zum Beispiel hier die Route nachlesen, die ich heute gewandert bin.
Wenn gleich ich das Schloss nicht von innen besichtige heute, gehe ich den steilen Anstieg natürlich nach oben und genieße die umwerfende Aussicht über Hohenschwangau, die Pöllatschlucht und den Blick in die Berge des Ostallgäus. Die paar Meter durch den Wald nach oben zum Schloss haben es in sich und ich muss gestehen – ich bin froh mich ein paar Minuten erholen zu können. Es ist noch früh am Morgen und die Touristenbusse trudeln erst langsam im Tal ein. Daher herrscht hier oben eine himmlische Ruhe. Diese himmlische Ruhe war es auch, die damals den Wiggerl hierhergelockt hat. Man sagte, er war gerne alleine und liebte die Natur mehr als die Menschen. Hier oben, auf dem Vorplatz des Schlosses kann man es dann verstehen. So früh am Tag hört man hier Vögel zwitschern und die Pöllat rauschen. In wenigen Stunden ist es damit vorbei, dann hört man vor allem die Auslöser der Kameras klicken, Sprachen aus aller Herren Länder und Motorengeräusche samt Hufgeklapper. Aber wenn es soweit ist, dann bin ich schon im Wald auf dem Wanderweg, der mich vom Schloss hinab Richtung Alpsee führt.
„Wenn du einmal Kummer hast und Sorgen mein Kind, dann gehe so wie heute mit offen Augen durch den Wald. Und in jedem Baum und in jedem Strauch, in jedem Tier und in jeder Blume wird dir die Allmacht Gottes zum Bewusstsein kommen und dir Trost und Kraft geben.“ Herzog Max in Bayern, Sissi Teil I
Schmale Waldwege über Stock und Stein führen im Schatten langsam hinab zur südlichen Spitze des Alpsees. Zwischen den Bäumen hindurch kann man immer wieder ein Blick auf das Jagdschloss Hohenschwangau werfen. In Mitten von alten Baumbeständen leuchtet es in Sonne gelb-gold aus den Blättern. Am Fuße des Schlosses liegt der smaragdgrüne Alpsee. Ein wunderschönes Bild. Wenn man hier entlangläuft, dann kann man sich schon vorstellen, dass sich Sissi und Ludwig in Mitten des herrlichen Waldes in tiefe Gespräche verlaufen haben. Hier „stört“ nichts und niemand. Nicht mal heute. Obwohl es Ferienzeit ist. Obwohl unzählige Touristen das prunkvolle Schloss bewundern. Hier im Wald hört man lediglich einen Specht klopfen. Den leisen Wind durch die Äste rauschen. Auf einer kleinen Anhöhe mache ich kurz Rast. Genieße die Aussicht. Je länger ich den Blick schweifen lasse, desto mehr Grüntöne kann ich erkennen. Unsere Natur ist so wunderschön.
Endlich bin ich am See angekommen. Auf der ruhigen Oberfläche spiegeln sich Wolken und Sonne. Ein schmaler Weg führt direkt am See entlang, so dass man ganz in Ruhe ein Fleckchen finden kann, an dem man alleine ist. Wenn gleich es nicht der Starnberger See ist, vor mir nicht die Roseninsel liegt und hinter mir nicht Feldafing – so kann ich mir doch vorstellen, wie ein kleines Ruderboot über den See schwimmt. Drinnen sitzen zwei Monarchen, die nicht nur Bluts- sondern vor allem Seelenverwand sind. Fern ab von all den Regierungsgeschäften und dem Hofzeremoniell schaukeln sie gemächlich über das Wasser und reden über den Sinn des Lebens, über Wagner und darüber, dass sie eigentlich niemand versteht. Mir huscht jetzt ein grinsen übers Gesicht. Ich sehe Sissi und Wiggerl im Boot sitzen, beide lachen und sich glücklich, dass sie ihrem Alltag entfliehen konnten. So wie ich. Eine schöne Vorstellung.
Das Wasser ist übrigens herrlich erfrischend. Und auf dem Rückenliegend erhascht man einen Blick auf Neuschwanstein. Majestätisch und mächtig, dieses riesige Schloss, da oben am Berg. Die Akkus sind wieder voll. Ich hatte Berg und Wald und Bayern. Einen ganzen Tag. Herrlich. Zum Abschluss mache ich noch einen Abstecher nach Füssen, trinke im Biergarten ein kühles Weißbier und dann geht’s wieder heim. Glücklich und Dankbar. Das ich in Bayern wohnen darf. Das unser Märchenkönig ein kleinwenig verrückt war und solch herrliche Schlösser gebaut hat. Das der Herrgott so ein wunderschönes Fleckchen Erde geschaffen hat. Dass die Natur still und leise und anmutig ist. Das Akku aufladen am besten ohne Steckdose geht.
Die Fahrt nach Hohenschwangau hat sich ehrlich gelohnt. Es war herrlich. Und fernab von den Attraktionen gibt es noch attraktivere Ecken.