Dirndl-Terror
Die aktuelle politische Lage wirft ihre Schatten voraus. Natürlich auch wenn es um unsere Wiesn geht. In den Medien wird die Sorge um Terror auf der Wiesn breitgetreten. Erstmalig wird das größte Volksfest der Welt eingezäunt. Rucksäcke sind verboten. Messer und andere scharfe Gegenstände sowieso. Obwohl – naja, nicht alle scharfen Gegenstände! Madln und Buam dürfen noch immer auf die Wiesn. Und ich kann euch sagen – da ist das ein oder andere „scharfe Gerät“ dabei.
Für mich ist der „Terror“ auf der Wiesn ja schon vor vielen Jahren losgegangen. Damals, vor gefühlt 20 Jahren, als auf einmal Landhausmode Trend war. Diese Leinensäcke, die sich Männlein und Weiblein plötzlich übergeworfen haben. Mit großen Aufdrucken sinnloser Jahreszahlen in einer Altdeutschen Schriftart. Es hatte damals ein bisschen den Anschein, als würde das „Treffen der recycelten Kartoffelsäcke“ auf der Theresienwiese stattfinden. Knöpfe und Reisverschlüsse wurden gegen Kordeln ersetzt und an den Bündchen wurde Omas alte Spitzentischdecke verwertet. Unter dem knappen Rock trug Frau Bergsteigerstiefel, wiederum mit Spitzensöckchen und bei den Herren hing die Landhausmode zur Hälfte aus der Hose. Ja verreck!
Aber schlimmer geht immer – so auch im Trachten-Terror. Die Landhausmode war nahezu ausgestorben und fortan konnte man an jeder Ecke Dirndlähnliche Kleider kaufen. Also ein Kleid mit Rocklänge unter 60cm. In knalligen Farben, meist kariert. Aus dünnen Baumwollstoff. Unterhalb der Brust wurden rechts und links Haken angenäht damit man eine Schnur durchziehen kann. Etwas was wie ein Mieder aussehen könnte. Aber nicht nur die Damen, auch die Herren kamen Trachtentechnisch auf ihre Kosten: Hosen im Knickerbocker-Schnitt aus Filzstoff, Kunstlederhosen oder gleich eine braune Plastikhose mit aufgedruckten Stickerei Bildchen sind nur einige Highlights der „Trachten für Alle“ Zeit.
Die Ausmaße dieses Trachten-Terrors waren zu Beginn nicht unbedingt ersichtlich. Heute – gut 13 Jahre später ist es noch nicht viel besser geworden. Jeder Kleidungsdiscounter hat ab Ende Juli irgendetwas vermeintlich Bayerisch anmutendes im Schaufenster hängen. Dekoriert mit weiß-blauen Wimpeln und „Brezeln“ aus Plastik. Aber warum? Was gibt den dieser profigeilen Modewelt das Recht unsere Tradition, unsere Landestracht, ja unsere „Geschichte“ dermaßen ins Lächerliche zu ziehen?
Allerdings – hat dieser Trachten-Terror auch seine guten Seiten.
Viele neue Trachtenlabels sind entstanden in den letzten Jahren. Trachtenmanufakturen die den großen Herstellern den Rang durchaus abgelaufen haben. Designer die mit ihrer Kreativität und der Verbindung aus Tradition und Moderne wundervolle Trachten-Couture erschaffen haben. Junge, frische und elegante Mode ist entstanden. Kleidung die ein bisschen Heimat, ein bisschen Chichi und ein bisschen Modebewusstsein vereinigt.
Was bleibt ist der „Verkleidung Charakter“ auf der Wiesn. Seppelhut und Lederbuxe, FlipFlops und Mini-Dirndl, das hat einfach nichts mit Tracht zu tun. Da kann man sich jetzt drüber aufregen und es nicht verstehen oder man setzt sich einfach mal ein paar Stunden auf die Treppe an der Bavaria, an einem sonnigen Nachmittag und schaut sich die ganzen Kasperln an, die da so über unsere Wiesn laufen – solang es nur Terror für die Augen ist, kann man ja einfach ein bisschen drüber lachen.
Und heute, 15 Tage bevor es los geht habe ich etwas Galgenhumor entwickelt und während ich hier so schreibe stelle ich mir grade folgendes vor: ´Damit er nicht erkannt wird und ungehindert seine Tat vollrichten kann, kauft er am Hauptbahnhof zu München einen grauen Filzhut mit „Oktoberfest“ Aufdruck, eine Ziegenlederhose, ein rosa-kariertes Hemd und Chucks mit grünen Socken – so steht er mitten auf der Festwiese. Als er dann seinen Gürtel gezündet hat und dort ankommt, wo die 77 Jungfrauen auf ihn warten, stehen diese vor ihm, schauen ihn an und lachen sich kaputt! So einen Kasperl haben sie noch nie gesehen. ´
Ich freue mich jetzt schon auf die vielen schönen und detailreichen Trachten die wir dieses Jahr wieder zu sehen bekommen – ein bisschen freue ich mich aber auch wieder auf die ganzen „voglwuiden Kasperloutfits“ über die wir jedes Jahr aufs Neue lachen können.