Wiesn Tagebuch – noch 16 und der Rest von heute

Skurrile G´schichten von der Wiesn

In 206 Jahren passiert so einiges. Natürlich auch auf der Wiesn. In Zeiten wie heute, wo über die sozialen Netzwerke schon News verbreitet sind bevor man die überhaupt wahrgenommen hat, braucht es kaum noch Geschichtenschreiber. Wenn heute ein Fußballprofi eine rote Lederhosn trägt, ist ein Bild davon schon auf Instagram zu finden, bevor er die erste Maß bestellt hat. Aber das ist ja noch nicht lange so.

Es gibt aber viele lustige und skurrile Geschichten von der Wiesn, die es wert sind, dass man davon erzählt. Sie tragen zum einen zur Oktoberfestgeschichte bei und zum anderen sind daraus Rituale und Traditionen entstanden. „weil man es hoit immer scho so gemacht hat“ stimmt nämlich ganz oft gar nicht.

Eine skurrile Geschichte, aus der eine Tradition wurde, ist zum Beispiel das Anzapfen:

1950 in München.

Unweit des Stachus in der Spitalstraße nehmen die Kutschen Aufstellung. Schausteller, Bedienungen, Wirte und die Oberhäupter der Stadt München klettern auch die prachtvoll geschmückten Wägen. Die großen und schweren Brauereirösser sind ebenfalls prachtvoll geschmückt. Die Musikanten spielen die ersten Takte. Der lange Zug setzt sich in Bewegung, es geht Richtung Theresienwiese. Alles wie immer. Als die Kutschen an ihren jeweiligen Zelten angekommen sind und die Blaskapellen die Einmarschmusik spielen ereignet sich im Schottenhammel Festzelt folgendes: Blitzlichtgewitter vor der Anzapfbox. Ein kleiner kräftiger Mann, mit wenig Haupthaar und Oberlippenbart legt sich Schmunzelnd den grünen Schurz um, krempelt die Hemdsärmel auf und zapft an. Neben dem Bantzen lagen bereits ein nagelneuer Schlegel und ein funkelnder Messinghahn bereit. 17 Schläge brauchte der „Wimmer Dammerl“ damals, bis er die erste Maß dem „Okoberfest und er Stadt München“ widmete. Eine neue Ära war angebrochen, die Bier-Hierarchie wurde auf den Kopf gestellt! Niemals zu vor, hatte sich ein Politiker, Promi oder Amts Mann zu einer solch niederen Arbeit hinreißen lassen, wie dem Anzapfen.  Politiker standen in einer Reihe mit den Brauereibesitzern, Bier-Aktionären und Großgastronomen, danach kamen die großen Wirte, und bei deren Personal an unterster Stelle der Schenkkellner. So ein Schankkellner war nun der Oberbürgermeister der Stadt München. Thomas Wimmer zeigte sich auf der Wiesn einmal mehr als „volksnah“. Wie schon beim „Ramadama“ bei dem er eigenhändig die Schaufel in die Hand nahm um Kriegsschutt wegzuräumen zeigte er auch beim Anzapfen: in diesem Nachkriegselend darf sich keiner zu niederer Arbeit zu schade sein! Anpacken und draufhauen ist angesagt. Und damit diese Botschaft alle Münchner erfuhren, waren Wochenschau, Fotografen und die Zeitungen eingeladen, über das symbolkräftige Ereignis zu berichten.

Aus dieser Geschichte ist eine Tradition entstanden: bis heute gehört das erste Fass auf der Wiesn dem Oberbürgermeister der Stadt München. Symbolträchtig und ein Sinnbild für das „anpacken“ unserer Oberhäupter.

 

1952 Gut gebrüllt, Löwe

Das Löwenbräu Zelt hat seit 1949 eine Attraktion über dem Haupteingang. Ein riesiger Löwe schreit „Löööööweeeeenbroiii“ hebt seinen Maßkurg und genießt einen kräftigen Schluck. Diese lautstarke „Werbung“ des Löwenbräu Wirts missfiel den anderen Wiesnwirten so sehr, dass sie es 1952 schafften, dass der Löwe einen Maulkorb bekam und nicht mehr brüllen durfte. Verrückt! Der Wirt nahm es damals mit Humor: der aus Sperrholz ausgesägte Löwe bekam ein großes Schloss vor sein Maul und musste die Wiesn hinter einem Hinter verleben. Nur ein Jahr später war das Verbot aufgehoben und das ist es bis heute!  Heute ist der 4,5 Meter große und tonnenschwere Löwe keine Sperrholzplatte mehr, sondern eine plastische Figur aus Pappmasche mit einem Polyesterüberzug. Jede Minute ertönt während der Wiesn das berühmte „Löööööwenbroiiii“, dann wackelt der Löwe mit dem Schwanz, trinkt genüsslich einen großen Schluck und reibt sich zufrieden den Bauch.

 

1981 Im Hofbräu Zelt geht’s Bier aus

Am mittleren Wiesnsamstag passiert im Jahr 1981 das, wovor nicht nur die Wirte, sondern insbesondere die Gäste wirklich richtig Angst haben: Im größten Wiesnzelt, dem Hofbräu, geht das Bier aus. Kurzerhand erläutert der Hofbräu Wirt Günter Steinberg dem Paulaner Wirt Richard Süßmeier die Lage und der handelt schnell – einige Fässer Bier werden vom Paulaner Zelt in das Hofbräuzelt gebracht und schon geht die Party weiter. Ob die Gäste etwas gemerkt haben? Ich glaube es fast nicht. Was man aber an der Geschichte merkt: es geht nicht über eine gute Nachbarschaft!

 

Die Pschorr Rosi hoch zu Ross

Die Wirts Tochter Rosi ritt jeden Abend auf einem der Brauereirösser durch den Brauhof und genehmigte sich eine feine Maß. Ein hübsches Kind war, die Tochter mit dem berühmten Nachnamen und singen konnte sie und Jodeln. Sie war so hübsch, dass es einige Mannsbilder gab, die nur ihretwegen den Weg zum Pschorr nahmen. Um die Hübsche Tochter zu sehen. Und vielleicht ein bisschen mit ihr zur flirten. In ihrem Steifmieder hoch zu Ross auf dem schweren Kaltblüter gab sie auch allabendlich ein herrliches Bild. Dann, an der Schänke bekam sie ihre frische Maß und weil sie gar so gut schmeckte, jodelte die Rosi das einem das Herz nur so aufging.

So eine herrliche Geschichte – und ein bisschen Wahrheit steckt bestimmt mit drin. Seit vielen Jahren jedenfalls ist die Pschorr-Braurosl nicht mehr nur eine Phantasie. Es gibt sie wirklich. Zur Wiesn schlüpft Karolin Weidner in das wunderschöne blaue Steifmieder, welches mit kostbarem Silbergeschnürr verziert ist, und jodelt für die Gäste in dem Wiesnzelt „Bräurosl“.

 

Servus, Grüzi und Hallo – Hollaradio… i konns scho hern!

Morgen: Dirndl-Terror

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