Wiesn Tagebuch – noch 34 und der Rest von heute

I bin die Paula und da bin i dahoam

Heimat ist was Wunderbares. Daheim ist einfach nur schön. Ich habe das große Glück gehabt, immer ein „Daheim“ zu haben. Immer. Und ich habe ganz früh gelernt wie sich „Daheim“ anfühlt. Meine Heimat ist ganz klar zu definieren. Im Großen ist es Bayern. Wenn ich irgendwo auf der Welt bin und mich jemand fragt wo ich herkomme, komme ich aus München. Schließlich bin ich ein Münchner Kindl, Rechts der Isar geboren. München ist meine Stadt. Mit all ihren Ecken und Kanten. Mit ihren schönen Seiten und mit ihren hässlichen Seiten. Mit den Grantlern in der Stadt und den nicht vorhandenen Parkplätzen. Mit dem „oiden Bäda“ und einer S-Bahn die nicht in der Nacht fährt. Mit dem Viktualienmarkt und der Isar. Mit dem Englischen Garten und all den Nackerden die da rum liegen. Des ist meine Heimat.

„Diese Stodt is mei Stodt, mitten drinn im Freistood und jeder der moi frei hot muaß se des gem!“ (Michael Dietmayr)

Ein bisschen anders ist es mit „Daheim“. Ich kann mich auch außerhalb meiner Heimat daheim fühlen. Zum Beispiel irgendwo am Berg. Auf einer Insel, am Meer. Und sogar am Rhein habe ich das Gefühl daheim zu sein. Ein Blick auf den Dom, ein Kölsch in der Hand und Brings im Ohr, da bin ich daheim. „Daheim sein“ hat für mich immer was mit Herzklopfen zu tun. Mit wohlfühlen. Es gibt Orte an denen ich mich wohlfühle, Menschen mit denen ich mich wohlfühle und es gibt auch Situationen in denen ich mich wohlfühle. Immer dann bin ich irgendwie „Daheim“

Es sollte jetzt also keinen meiner treuen Leser (und natürlich auch Leserinnen) mehr wundern, wenn ich mich auch in einem Bierzelt „Daheim“ fühlen kann.

I bin di Paula und da bin i dahoam

Eine Bedienung hat ja immer irgendwo auf einem Schild oder einer Wäscheklammer ihren Namen stehen – ich gehe Inkognito ins Bierzelt, als Paula. Ohhh. Pssst. Leise. Hört ihr des? Das Trompetenecho! Vorne von der Bühne und jetzt, die Trompeten oben von der Empore. Ich hab Gänsehaut. Schön, hier bei mir daheim.

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Ich nehme Euch jetzt mit. 5 Tage zu mir „nach Hause“ ins Bierzelt auf dem Dachauer Volksfest. Ihr glaubt gar nicht, was man zuhause alles erleben kann.

Samstag

16:11 Uhr

Seit 4 Stunden läuft des Manna aus dem Zapfhahn. Die Schlitten (so nennt man die großen Holztabletts von Kellnern und Bedienungen) sind vollgepackt mit Schweinebraten, Knödeln, Blaukraut, gebratenen Hendl und vielen anderen Leckereien. Erste Verluste sind bereits auch zu verzeichnen. Bei den Gästen. Nicht bei mir. Die erste Maß ist die wichtigste. Die Beste! Die Schnellste! Die Vernichtenste! Ohne ausreichend Grundlage kann die dich töten! Zumindest für ein paar Stunden. Bei läuft alles wie am Schnürchen. Bier hier, Hendl da und dann noch mal eben „dünn drübber“

19:30 Uhr

Die Reih1n werden für den Moment etwas „lichter“. Die Gäste vom Mittag sind geschafft, die vom Abend gesättigt. So ist das in Dachau. Jetzt beginnt der gemütliche Teil. „Du, hättest Du einen Platz für uns, wir sind zu dritt“ hör ich eine männliche Stimme in meinem Ohr. Kurzer, prüfender Blick. Drei junge Männer. Jeder eine halbe Maß in der Hand – das Bedienungshirn rattert. „Ja freilich, geht’s mit!“ Warum ich drei Gäste nehme die schon ein Bier in der Hand haben? Weil sie sehr nett und höflich waren. Freundlich gefragt haben und irgendwie sympathisch gelächelt haben. „Mei Danke, des ist nett, können wir bei dir was zu essen zu bestellen?“ Deswegen! Man hat nicht immer Glück bei der „Gäste-Freiwild-Jagd“ aber meistens. Die drei Jungs sind den ganzen Abend geblieben. Und jeden Abend wiedergekommen. Bis heute. Schön. Bei mir daheim. Im Wohnzimmer.

21:43 Uhr

„Was kriegst denn auf die Biermarke?“ BIERMARKEN sind ein Phänomen. Man kann Wertmarken kaufen, im Vorfeld, oder auf dem Festl, dann bekommt man dafür ein Bier. Man muss aber noch ein Bedienungsgeld drauf bezahlen. Und man darf, wenn man das gerne möchte, ein Trinkgeld geben. Bedienungsgeld ist nämlich kein Trinkgeld! Ach – und es ist Brutto, aber lassen wir das. Gut meine Antwort: „48 Cent“ mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Er schaut kurz, gibt mir ein Fuchzgerln und sagt dann – und das ist jetzt mein voller Ernst – „Des bassd scho, da Rest is für dich!“ sagt er mit einer abwertenden Handbewegung leicht genervt. WHAT??? Ich suche in meinem Geldbeutel und gib ihm ein 2 Cent Stück. Ich freu mich über Trinkgeld, aber Almosen nehm ich nicht! „Hey Chefin, wos soi des?“ jetzt merke ich wie meine Halsschlagader zu pulsieren beginnt. „Schefinn“ geht gar nicht. Also überhaupt nicht.

23:57 Uhr

Das Zelt ist leer. Also fast. Ein paar unbelehrbare halten noch an ihrer urinwarmen Maß fest. Wir putzen. Müll wegräumen, Gläser wegbringen, Tische wischen und Bänke reinigen. Dabei findet man Dinge in so einem Bierzelt, das kann man gar nicht glauben: natürlich liegt der ein oder andere Euro auf dem Boden. Plastikrosen, Plüschtiere und Lebekuchenherzen sind ja ganz normale Fundsachen. Mein persönliches Fundstück-Highlight dieses Volksfestes ist eine Herzchen-Handtasche. Die bringe ich natürlich ins Festbüro. Da machen wir die dann auf um möglicherweise einen Hinweis zum Besitzer (Geldbeutel oder ähnliches) zu finden. Geldbeutel ist keiner drin. Dafür das neueste Modell „Womenizer“ in Glitzer Pink. Ehrlich Mädels. Was ist denn los mit Euch?

Morgen: Ein Sonntag im Bierzelt

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