Dat Marie

Wie aus „der Paula“ „dat Marie“ wird…

Eine Flugreise die in München startet, kommt immer irgendwie einer Weltreise gleich. Wenn gleich München so ziemlich der Nabel der Welt ist, dann ist Franz-Josef-Strauß irgendwo kurz vorm Steißbein. Der Münchner Flughafen, welcher namentlich dem letzten ungekörnten bayerischen König gewidmet wurde, ist unter einer Stunde Fahrzeit mit keinem Verkehrsmittel (außer vielleicht einem Transrapid – den wir aber ja wie zu hauf bekannt nicht haben!) zu erreichen. Das liegt daran, dass wir Münchner besonders auf unsere Gemütlichkeit bedacht sind. Uns ist Ruhe und Erholung innerhalb der Stadtgrenzen enrom wichtig. Deswegen fährt die S-Bahn auf ihrer Stammstrecke unter der Erde, die U-Bahn sowieso, Busse fahren am liebsten gar nicht und die Tram hört man nur wenn sie klingelt, weil irgendwelche SUV-Fahrer auf ihren Gleisen stehen. SUV´s sind Gott sei Dank die mehrer Zeit entweder im Luise-Kieselbach-Tunnel eingesperrt oder stehen auf dem Parkplatz eines Discounters – man hört sie also auch nicht. Damit unsere königlich bayerische Ruhe nicht durch dröhnenden Fluglärm gestört wird, haben wir Münchner beschlossen, wir platzieren den Flughafen irgendwo ins Erdinger Moos, wo der Boden so nass und so feucht ist, dass kein Bauunternehmer freiwillig Wohnhäuser in die Nähe baut. Gut, die Rechnung ist nicht aufgegangen, aber darum geht es heute auch nicht. Die himmlische Ruhe in München wird jedenfalls nicht durch Passagierflieger gestört. Die Passagiere in den Fliegern hingegen, die sind eindeutig gestört – und zwar mindestens in ihrer Bequemlichkeit. Wie schon gesagt, unter einer Stunde geht da nix. (Und jeder der jetzt den Stoiber im Ohr hat – i her ean a)

Angenommen man möchte jetzt von München ins Rheinland mit dem Auto reisen, dann muss man so ca. 6 Stunden Reisezeit berechnen. (Wenn man nicht am Samstag vor Ostern fährt, und nicht am Samstag vor Weihnachten und nicht am Samstag im Januar und an keinem Samstag im Sommer – also wenn man an jedem x-beliebigen Tag außer Samstag fährt). Wenn man hingegen irgendwo in Deutschland 650 km von A nach B fliegt, dann ist man in einer Stunde Flugzeit am Ziel. Stunde vorher am Flughafen sein. Halbe Stunde je für An- und Abreise zum Flughafen: mach Summasumarum 3 Stunden Reisezeit. Passt.  In München gehen die Uhren anders. So auch die „Reisezeit“ Uhr. Weil, wenn du von München wegfliegen willst brauchst du schon mal mindestens eine Stunde zum Flughafen. Weil in München alles teuer ist, arbeiten am Flughafen auch nur halb so viele Leute wie wo anders – also musst du (wenn du nicht zur Schickeria gehörst mit Extra-Business-Gold-Puderrosa-Glitzer-Lounge-Card) mindestens 2 Stunden vorher da sein. Wenn du noch einen Abschiedsweißbier willst: 3 Stunden! Flugzeit bleibt völlig überraschend bei einer Stunde. Sind wir schon bei 5 Stunden. Und sind wir ehrlich: wenn du aus München kommst, fliegst du nicht mit Handgepäck. Egal wohin. Mindestens des Flascherl Augustiner, des du zur Sicherheit dabei hast, braucht Reisegepäck! Warten am Band: mindestens 1 Stunde (die Mitarbeiter die die Koffer aus dem Flugzeug laden kommen auch aus München!) Somit sind wir bei 6 Stunden + Abreise vom Flughafen, je nach dem, ungefähr eine halbe Stunde. Und dann ist alles echt gut gelaufen! Keine Verspätete S-Bahn, kein verpasster Flieger – alles super.

Was ich sagen will: Um Zeit zu sparen lohnt sich eine (innerdeutsche) Flugreise aus München – NICHT! Um Geld zu sparen auch nicht. Und ansonsten eigentlich auch nicht.

Einzige Ausnahme: du willst zum Karneval.

Wenn du auch bei der Hinreise noch nicht weißt, wovon ich hier spreche – spätestens beim Rückflug wirst du mir beipflichten  – das verspreche ich. Und nein! DIE BAHN ist an dieser Stelle keine Alternative. Schließlich sind wir bei aller Liebe ja schon noch Münchner!

Es ist also Mittwoch. DER Mittwoch! Der Mittwoch davor. Der letzte normale Tag. Ab morgen ist alles bunt. Rot und bunt! Viel rot. Und viel bunt. Aber heute, heute ist noch alles normal.

Ich habe mal wieder einen Koffer gepackt. Ich ziehe mal wieder für eine bekannte Anzahl an Tagen aus. Ich verlasse mal wieder meine Familie. Tauche ein in ein anderes Leben.

Mit einem kleinen Unterschied: Nix mehr Paula!

Für Lücken im Lebenslauf ist „dat Marie“ zuständig.

Schließlich wollen wir die gute alte Paula ja nicht runieren. Und ganz ehrlich – was geht des die Rheinbewohner an, was es in Bayern für Frauen gibt… Und falls die Paula doch mal raus muss – die Lederhosn samt Bedienungsgürtel hab i natürlich einpackt… Und dazu jede Menge bunte Kostüme. Schließlich will ja jeder Tag auf´s neue zelebriert werden.

„Wo sois denn hingehen?“ fragt mich der freundliche Mitarbeiter der Fluggesellschaft. Ansich eine völlig berechtigte Frage. Schließlich fliegen die ja kreuz und quer über die ganz Welt. Allerdings: ich stehe an diesem Schalter, auf dem Kopf einen rosa Cowboyhut, der durch eine Krone verziert wird, in der linken Hand eine rote Dienstmütze mit Aloisius Aufschrift und um den Hals eine neon gelbe Brusttasche mit der Aufschrift: i wui wida hoam! Nach der ersten Schrecksekunde sage ich in voller Inbrunst der Überzeugung: „Malediven, Wellnessurlaub!“ „Oh, Verzeihung junge Dame, da müssen Sie sich am Schalter geirrt haben, die Malediven fliegen wir nicht an. Aber ich wünsche ihnen erholsame Tage!“ „Ach, sorry, hab mich vertan, Malediven ist erst in zwei Wochen, heute ist Köln! Passiert mir immer wieder.“ Jetzt muss ich grinsen. Der arme Mann ist immernoch todernst. „Hach ja, das passiert. Hoffentlich haben Sie dann das richtige Reisegepäck dabei! So ein Spaziergang im Strandkleid am Rhein ist zu dieser Jahreszeit nicht zu empfehlen“ Sorry – jetzt kann ich wirklich nicht mehr. Ich pruste los: „Na im Notfall wickel ich mir noch ein Handtuch drum und setz den Cowboyhut auf – dann werd i scho ned dafrieren!“ Er schaut ein bisschen verdattert und tut mir jetzt direkt ein bisschen leid.

Am Gate warten 5 Anzugträger und ganz viele Menschen mit lustigen Hüten. Im nachhinein bin ich mir nicht so ganz sicher ob die 5 Anzugträger nicht vielleicht „Blues Brothers“ waren. Ist aber auch egal – die Stimmung ist jetzt scho großartig. Und kaum raschelt durch die Lautsprecher „Boarding completed“ fangen die ersten auch schon an zu singen: „Fasteloovend simma weder do – und dat bliv de nächste hundert Joar so – ejal wo mer sin – hem an de Ring – Fasteloovend simma weder do.“

Und schon sind wir da.

Schnell die Koffer eingesammelt und ab ins Taxi – nicht weil die KVB nicht viel viel besser, schneller und günstiger wäre – sondern weil man im Taxi die Fahrt über den Rhein und den ersten Blick op de Dom 1.000 mal besser genießen kann. Und dann steht er da. Der schönste Dom der Welt. Und auf einmal pulsiert das Rheinwasser durch meine Adern. Und auf einmal bin ich „zo huss“

(c) i-stock rclassenlayouts

Han mich immer noch nit satt gehürt
An kölsche Leeder un dem Schmuh vum Rhing
Han mich immer noch nit satt gesinn
An all dä Hüüscher un dem Dom
Doch ich kann nit sage, wat mich hee häld

Et gitt kei Wood, dat sage künnt,
Wat ich föhl, wann ich an Kölle denk
Wann ich an ming Heimat denk!

 

Die Stadt ist irgendwie ruhig. Und leise. Völlig ungewohnt. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Deswegen genieße ich den ersten Abend. Mit nem lecker Kölsch – maximal gezapft wie es sich gehört – und mit „Kölsche Tappas“ und mit wunderbaren Freuden. Das ist das wundervolle an Köln: du kommst her, bist daheim und irgendwie sind die Freunde gleich Familie. Wenn Karneval ist, dann kommen alle Heim. Zur Familie. Wie an Weihnachten. Karneval ist ja auch irgendwie ein Fest der Liebe. Und se sin alle do – nicht ganz alle. Einer fehlt. Und der fehlt wirklich. Am ersten Abend und am letzten Abend und an allen Abenden dazwischen auch. Aber irgendwann liest er des hier – dann ärgert er sich. Weil er keine gute Ausrede hat fürs Fehlen. Und das ist auch wie an Weihnachten! Ohne gute Ausrede (eigener Tod oder ähnliches) gilt fernbleiben nicht.

Beim 13. Kölsch (immer noch maximal gezapft) Schunkeln schon alle und erzählen die Geschichten aus den letzten Jahren. Ne wat is dat schöööön! „noch´n Schnäpschen?“ „Klar, auf einem Bein steht man nicht!“ Beim 17. Kölsch sprechen dann alle die gleiche Sprache. Um zwei Uhr in der Früh will die Kneipe schließen – wo es grade so schön ist… aber fehlt eh Einer, können wir auch heim gehen.

Weckerstellen nicht vergessen. Ja. Ehrlich. Wir sind ja nicht zum Vergnügen hier. 9:30 Uhr kommen die Mädels. Davor in Schale schmeißen. Als was ich geh? Puhh – nix mit hübsch. Und nix mit eng. Und nix mit geföhnten Haaren – „Wuidara“, Wuidara ist guad. Ruaß ins Gsicht… Da bist perfekt geschminkt. Zumindest nach dem Abend hier – ach Rechnung. Ja. Freilich. Rechnung. „Hamma den Deckel rund jemacht?“ frag ich den Köbes. „Sischer dat, und die anderen 28 auch – un dat woar nit leischt – isch dachte dat wären eckische – aber jetzt is alles Rund! 1.350 Euro macht dat dann.“ „Mei Bua, mach 1.500 Euro, weils so schee war“

Ich kann Euch beruhigen. Es ging um 13.50 Euro. Aber das wurde Allen die da waren erst nach einer Rechenstunde bei Marie klar – die hat das gelernt. Einer hat übrigens auch beim Abrechnen gefehlt – der zahlt nächstes Jahr den Abend. Hat ja dieses Jahr so viel gearbeitet! Prost auf den der gefehlt hat.

 

Morgen – wecker – aua – wann? – 5 Stunden? – Puhh – kann ich doch die Malediven nehmen?

 

signatur-transparent-paula

 

 

2 thoughts on “Dat Marie

  1. Jajajajajaja war leider nicht dabei ? aber die Einladung für dat nächste Jahr in die schönste Stadt am Rhing steht und die 10 Liter flüssich Jold sind auch schon reserviert ?
    Bis dahin bleibt mir nur die Gewissheit etwas verpasst zu haben und das es südlich des Weißwurst Äquators liebe Freunde gibt ?
    ????*freue mich*????

  2. Endlich mal wieder ein Beitrag von Paula. Es gab ja schon Entzugserscheinungen!
    Vielen Dank für die tollen Eindrücke von der schönsten Stadt am Rhein.

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