Mein Karma braucht Kaffee – 2

...Fortsetzung von Teil 1

 

Apropos Aloha Bavaria!

München ist im tiefen Herzen der Stadt durchaus traditionsbewusst. Aber diese Stadt ist eben auch echt Multikulti. Und daher ist zwar schon hin und wieder ein Eros in Tracht zu finden, aber oft sind es eben eher schmallippige Möchtegern Trachtler mit industriell gefertigter Stangenware und viel Klimbim. Ich bin Gen-Bedingt da etwas anders gestrickt. Seit Generationen fließt Münchner Blut in meinen Adern. Böse Zungen in meinem Freundeskreis behaupten auch, der Inhalt meiner Adern wäre reines Augustiner, das ist natürlich völlig übertrieben.

Eltern, Großeltern und sämtliche andere Blutsverwandte aus erster Linie sind Münchner. Mit einer einzigen Ausnahme: mein Opa. Der ist Rheinländer. Nicht irgendein Rheinländer, sondern waschechter Kölner. Dort geboren, aufgewachsen und mit Kölner Eltern seinerseits. In Kriegszeiten hat er, bei einem Heimaturlaub in der Domstadt, ein Münchner Kindl kennengelernt. Meine Oma war damals Funkerin und auf dem Weg in die Nachrichtenzentrale nach Osnabrück. Nach einem Bombenangriff musste sie und einige Kolleginnen Halt machen in Köln. Die rührende Geschichte der beiden musste mein Opa oft erzählen: im Früh-Brauhaus saßen 8 Frauen an einem Tisch. Alle jung, hübsch anzusehen und fröhlich. Einziges Manko der Damen, sie sprachen bayerisch. Mein Opa fand das damals zuerst äußerst befremdlich. Laut eigener Aussage meines Opas, konnte das ein oder andere Kölsch dieser Sprachbarriere aber zügig Abhilfe schaffen. Final war es dann so: der Krieg hat seine Schatten vorausgeworfen, Opa musste an die Ostfront. Im Dezember 1944 schreibt er meiner Oma in einem seiner Briefe, dass er sich das mit dem Dom und dem Rhein überlegt hat – und dass er, wenn der Krieg nun endlich ein Ende findet, nach München kommt. Damals wusste er noch nicht, dass es noch weitere 3 Jahre dauern würde, bis er im März 1948 endlich aus russischer Gefangenschaft entlassen wird. Aber sein Weg führte dann tatsächlich an Köln vorbei, hinein in das neue bayerische Lebensgefühl. Und meine Oma, die war schon länger wieder daheim in München. Und sie hat auf ihn gewartet. Auf den Kölner. Mit seinem „Exil-Dasein“ in der Weltstadt mit Herz konnte mein Opa sich schnell anfreunden. Mit dem Bier, dem Schweinsbraten, den Weißwürscht und den anderen Gepflogenheiten, die an der Isar gelebt werden – aber er blieb bis zu seinem Tod Kölner.

Lederhosen hat er nie getragen. Er hat immer gesagt: „Sonne fijur hann isch nisch, et süht ja us wie wenn isch misch de Bux volljeschissen hätt.“ Wo er Recht hat, hat er Recht. Lederhosen kann eben nicht jeder tragen.

Donie lässt nicht locker, sie kniet noch immer vor mir, ihre Hände auf meinen Knien und schaut mich ein bisschen an, wie ein kleiner Dackel, der schon seit Stunden auf sein Wurschti wartet. „Gut, was genau soll des jetzt heißen?“ frage ich. Wenn ich ganz ehrlich bin, kann ich mir ungefähr vorstellen, was sie von mir will: ab ins Gemenge der Menschen am Viktualienmarkt. Aber ich habe so überhaupt keine Lust auf Menschen. Nicht auf fremde Menschen und nicht auf Bekannte. „Na los, du ziehst dir jetzt was Hübsches an und dann machen wir uns auf den Weg zum Viktualienmarkt. Schließlich ist heute Samstag und alle sind da. Die fragen doch schon alle nach dir. Dann setzen wir uns erstmal gemütlich beim „Steier“ hin und trinken einen Cuppuco und dann sehen wir weiter.“Ich habe es gewusst.

Der Viktualienmarkt ist das pulsierende Herz der Stadt. Am Fuße des Petersbergl gelegen und in Hörweite des Glockenspiels vom Marienplatz. In fest installierten Standl verkaufen die Marktleute hier fast Alles. Von Feinkost bis Blumen. Obst und Käse, Fleisch und Wurst, Fisch und Meeresfrüchte. In der Mitte des großen Marktes befindet sich ein Biergarten. Echt Münchnerisch – mit großen Kastanien, Biertischen und einem Brotzeitstandl. Das Bier kommt, wie sollte es für München anders sein, in großen 1 Liter Maßkrügen. Die einzige Besonderheit: die Lieferanten wechseln durch. Alle 5 bis 6 Wochen liefert eine andere der 6 Traditions-Brauereien aus München ihre Bierspezialitäten an den Markt. Für mich ist der Viktualienmarkt echtes München. Meine Oma hatte früher eine „Kaffee-Rösterrei“ am Markt. Einige Bekannte meiner Eltern haben dort heute noch ihre Standl. Man trifft, wann immer man den schönsten Platz Münchens besucht, Menschen die man kennt. Auf einen kleinen Ratsch. Schon als Kind hat mich dieses Stückchen München in seinen Bann gezogen. Oft bin ich nach der Schule zu meiner Oma ans Standl gegangen und habe fleißig mitgeholfen. Später, als ich dann die ersten Male verliebt war, habe ich mich mit den Jungs immer am „Karl Valentin“ Brunnen getroffen. Und wenn ich Liebeskummer hatte, habe ich mich oft unter eine der Kastanien gesetzt und sinniert.

Eigentlich hat meine Donie völlig recht. Der Viktualienmarkt tut mir bestimmt gut. Jetzt, in dieser schweren Zeit. Mein „Schootznmeier“ ist weg. Vor 8 Tagen ist er gegangen. „I geh jetzt furt – und du brauchst nicht auf mich warten, weil ich nicht mehr heim komme heut – i kumm überhaupt nicht mehr heim. Ich liebe dich nicht mehr.“ Und dann hat er die Tür zu gemacht und war weg. Es war Samstagabend. Wir hatten zusammen gegessen und wollten uns einen ruhigen Fernsehabend machen, weil ich mich nicht gut fühlte. Ich hatte Kopfschmerzen. Nach dem Essen verschwand er für längere Zeit in unsere Oase. Als er zurückkam, war er frisch geduscht, rasiert, ein-parfümiert und schick angezogen. Bis heute weiß ich nicht, wo er jetzt ist. Und weil ich so vor den Kopf gestoßen bin, will ich es auch gar nicht wissen. Wir waren glücklich. Es hat immer alles gepasst. Wir hatten viele gleiche Interessen, gemeinsame Freunde und haben trotzdem immer Zeit gefunden, dass jeder was für sich selbst tun kann. Hätte mir jemand am Samstag morgen gesagt, dass er sich trennen wird, ich hätte demjenigen einen Vogel gezeigt. Ich hatte nicht die leiseste Vermutung.

Ganz im Gegenteil. Nachdem Bernhard mir am Morgen meinen Kaffee und ein frisches Croissant ans Bett gebracht hat, habe ich mich nochmal an ihn gekuschelt. Er ging morgens immer eine lange Runde an der Isar joggen und auf dem Rückweg lief er dann beim Bäcker vorbei und brachte mir immer eine Kleinigkeit mit. Während er dann den Kaffee durchlaufen lies, sprang er schnell unter die Dusche um sich dann, mit dem „kleinen Frühstück“ nochmal zu mir ins Bett zu kuscheln.

Oftmals war die Dusche vor dem kleinen Frühstück völlig unnötig – denn nach „meinem Morgensport“ mussten wir dann zusammen nochmal duschen.

Am Samstag morgen haben wir auch zusammen geduscht. Nachdem wir eine eher ausgedehnte Morgensportsequenz eingelegt hatten, war das auch nötig. Am Abend hat er dann alleine geduscht. Und wohl festgestellt, dass er mich eben nicht mehr liebt. Obwohl, wann genau, in diesen 9 Stunden zwischen leidenschaftlichem Sex und alleine duschen, der Punkt war, an dem Bernhard „ich liebe dich nicht mehr“ festgestellt hat, kann ich jetzt nicht sagen. „Donie, du hast Recht. Ich muss raus hier. Gib noch einen keinen Moment – dann können wir los.“

Ich springe wie von der Tarantel gestochen auf und eile in mein Ankleidezimmer. Dort reiß ich alle Schranktüren auf, renne wie wild von Schublade zu Schublade und suche hektisch nach dem richtigen Fummel. Den finde ich aber nicht. Nach kürzester Zeit liegen alle möglichen Kleidungsstücke wild auf meinem Bett verteilt. Ich sehe die Sachen an. Rot, grün, blau, rosa, lila und braun. Kurze Kleider, lange Röcke, Jeans, Shorts, Pullis und Blusen. Ich bin völlig überfordert. „Puppi. So wird das nix. Warte ich helf dir“ Donie lehnt am Türrahmen und schaut mit verschränkten Armen auf mein Klamotten-Chaos. Dann kommt sie langsam auf mich zu, nimmt mich in den Arm und ich merke wie meine Knie weich werden und ich mich in ihre Umarmung fallen lasse. Die Tränen kullern schon wieder. Sie streichelt meinen Rücken und spricht mit leiser, ruhiger und für sie völlig untypischer Stimme:

„Meine liebe Paula. Das wird alles wieder gut. Weine ruhig ein bisschen, das tut dir gut, ich weiß.“

Fortsetzung folgt…

Kommentar verfassen