Bierpreis-Spektakel

Wir schreiben das Frühjahr 2017

Der Fasching ist grade vorbei und die ersten wanderwütigen versuchen den Gipfel des Nockherbergs zu erklimmen. Die Bavaria zeigt sich in diesem Jahr von ihrer sanftmütigen und verhaltenen Seite – und Mama Angie sitz mit Prinz Karneval-Schulz auf einem Koffer – kiffend. Der ganz normale Wahnsinn also.

Während sich die Bierzeltgemeinde schunkelnd auf die Maßkrug-Saison 2017 einstimmt, stimmt im Münchner Rathaus überhaupt nix mehr. Reiter, Schmid und Roiderer sind die Namen die momentan ständig in den Münchner Tageszeitungen genannt werden. Wobei letzter eigentlich nicht viel mit dem Münchner Rathaus zu tun hat. Aber es geht ja auch nicht ums Rathaus, sondern um die Wiesn. Ja. Mitten im März ist ein tosender Streit um das größte Volksfest der Welt entbrannt. Und schwuppdiwupp – sind wir mittendrinn in der Fünften Jahreszeit. Gleich in zweifacher Hinsicht. Zum einen, weil der gemeine katholische Bayer natürlich der Fastenzeit frönt und sich demzufolge das Starkbier schmecken lässt, zum anderen, weil die Wiesn irgendwie täglich präsent ist. Zwar sind es heute noch 174 Tage bis zum Anstich, aber zu welchem Preis. Und um den Preis geht es. Genauer gesagt um den Bierpreis. Der Wiesn-Chef Schmid will den einfrieren und somit vorschreiben. Der Münchner Oberbürgermeister sagt erstmal nix und der Sprecher der Wiesn-Wirt ist dagegen. Soweit so gut. Oder auch nicht. Aber in fünfeinhalb Monaten sollte dieses Problem ja zu regeln sein – wenn, ja wenn es so einfach wäre. Ist es aber nicht. Ein solch heikles Thema wie der Bierpreis auf der Wiesn wird ja schließlich nicht hinter verschlossenen Türen besprochen. Ganz im Gegenteil. Auf einmal wird es richtig laut in München. Weil die Presse, die Münchner, die Preissn und all die Anderen mitreden möchten. Nicht nur möchten, sondern sie tun es auch. Bis man sich dann versieht, hagelt es in den sozialen Netzwerken Hasstiraden gegen Wirte, schlaue Sprüche von Wiesn-Gegnern und Beleidigungen unter der Gürtellinie gegen die Politik. Warum? Ja, weil der Bierpreis geht uns Alle was an. Das ist schließlich nicht so eine Nebensächlichkeit wie Umweltschutz oder Kindergartenbetreuung, Vogelgrippe oder Mietpreisbremse. Nein. Wenns ums Bier geht, da machen alle mit. Schließlich sind wir hier in München. Da gehört Bier zum Leben. Ist ein Grundnahrungsmittel und in unserer Tradition tief verankert. In alle Richtungen. Sind wir ehrlich: die Paula wäre keine gute Bedienung, wenn sie nicht auch ihren Schaum zum Bier geben würde.

Vorrausschicken möchte ich folgendes: „a Streit um den Bierpreis hot sich no nia glohnt!“

Aber von vorne. Bier und Bayern gehört zusammen wie Weihnachten und Christbaum, wie Ostern und Eier. Wilhelm IV., Herzog von Bayern, erließ am Georgitag zu Ingolstadt Anno 1516 das Reinheitsgebot. Darin war auch zu lesen, was für das flüssige Gold zu zahlen, beziehungsweise zu kassieren ist. Von da an, unterlag der Bierpreis der „staatlichen Preisbindung“. Es zählte damit auch zum Grundnahrungsmittel. Bier musste für jeden „bezahlbar“ sein. Jeder hatte ein Recht auf Bier. 1910 regierte König Ludwig I. derjenige, dem wir final auch unsere Wiesn zu verdanken haben. Der erhöhte zuerst den Brotpreis, was die Untertanen willig hinnahmen, dann aber den Bierpreis um sage und schreibe 2 Pfennige. Das wurde nicht mehr hingenommen. Ganz im Gegenteil. Während Lola Montez sich mit unserem König vergnügte, begann in München die Revolution – gegen den Bierpreis. Die siedend heiße Stimmung in München sorgte für Tumulte und Unruhen. Auf den Straßen, in den Bierkellern und endlich auch im Hofgarten. Es nutzte jedoch alles nichts. Der neue Bierpreis blieb bestehen.

Bis zum 15. April 1958 regelte die bayerische Staatregierung den Bierpreis. Dann war Schluss. Hauptakteur bei diesem Bier-Streich war der Wirtschaftsminister Dr. Otto Schedl. Er wagte es die vielen historischen Bedenken über Bord zu werfen und den reichlich verfilzten bayerischen Bierpreisknoten zu lösen. Gemäß den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft werden künftig auch beim Bierfass Angebot und Nachfrage den Preis regeln. Die „Halbe“ dürfte damit um vier Pfennig teurer werden…

Und heute? 59 Jahre später? Wird in München mal wieder um den Bierpreis gestritten, jedoch nicht etwa um eine Erhöhung! Ganz im Gegenteil. Jetzt soll der Preis für die Maß Bier auf der Wiesn eingefroren werden. Bei 10,70 Euro.

„Die Stadt kann bei der Wiesn nicht drauf zahlen“

Dieser Meinung bin ich ganz bestimmt auch. Sicherlich. Aber albern hört es sich ja schon an. Größter Kostenfaktor so scheint es, ist die Sicherheit. Unsere Wiesn ist der vermeintlich sichererste Ort der Welt. Straßensperren, Luftraumsicherung, Wachpersonal, Pömpel, Polizei und was weiß ich noch alles. Das alles will bezahlt werden. Nur wer soll es bezahlen? Die Stadt München schlägt vor: die Wirte. Klar. Die verdienen ja am Meisten auf der Wiesn. Sicherlich ist diese Aussage weitgehend richtig. (Macht man da jetzt einen Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn?)

„Die Wirte verdienen sich eine goldene Nase!“

Puhh, ja kann sein. Ich meine sind wir ehrlich: wer von uns würde einen Job machen, bei dem er nichts verdient? Trotzdem – ich bin mir nicht so ganz sicher. Sicher ist: es ist ein durchaus lukratives Geschäft. Sich ist aber auch: es ist ein Haufen Aufwand. Schließlich ist die Wiesn nicht in 16 bis 18 Tagen erledigt. Ganz im Gegenteil. Das ist ein Jahres Job. Und zwar nicht nur für den Wirt. Rund um das Bierzelt geschehen gibt es nämlich einiges zu tun.

„Jedem des Seine – aber mir des meiste“

Der Streit ist beigelegt. Eine Bierpreisbremse gibt es nicht. Die Wirte haben sich selbst „reguliert“. Beim Bierpreis. Und sonst? Wir werden sehen. Fakt ist: ob an der Strandbar auf Mallorca, im Beach Club auf Sylt oder an der Uferpromenade am Chiemsee – wer was Besonderes will, muss dafür Geld bezahlen. Mal mehr, mal weniger. Unsere Wiesn ist besonders. Deswegen kostet es Geld. Da kann man sich jetzt drüber aufregen, oder es einfach hinnehmen. Auch an dieser Stelle gerne nochmal einen Vergleich: wer gerne Low-Budget Urlaub macht, der fährt nicht nach Barbados ins 5* Resort. Wer gerne Luxus-Verwöhn-Urlaub macht, fliegt nicht nach Mallorca an den Ballermann. So einfach ist das.

Wir schreiben den Sommer 2017

Die Bierzeltsaison 2017 ist jedenfalls in vollem Gange. Das wird sich bis November nicht ändern. Und die Zelte werden voll sein. Mit Leuten, die Urlaub im Bierzelt machen. Die des Geld ausgeben, ihr Bier genießen und noch was essen. Die anderen bleiben daheim. Das würden sie aber auch, wenn das Bier 10 Cent günstiger wäre. Warum also die bösen, hetzenden Diskussionen im Social-Web. Warum kann man es nicht einfach so akzeptieren wie es ist – jedem des Seine.

In diesem Sinne: i g´frei mi auf meine Bierzelt-Saison.

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