Wiesn Tagebuch – noch 9 und der Rest von heute

Die Mitteleuropäische Zeitrechnung

Samstag, 17. September 2016 12:00 Uhr – in unseren Breitengraden ist dies eine klar verständliche Terminangabe. Hat alles was man braucht. Wochentag samt Datum und eine Uhrzeit. In meinem Kalender ist dieses Datum seit 50 Wochen rot markiert. Es gäbe nur eine ganz kleine Handvoll Dinge, die passieren könnten, damit ich diesem feststehenden Termin nicht einhalten würde. Ein Umstand wäre mein eigener Tod. Nur beispielhaft genannt, damit die Dringlichkeit erkennbar ist.

So wie mir geht es vielen 100 Kollegen, die für 17 Tage die Theresienwiese in München ihren Arbeitsplatz nennen. Wir alle wissen dieses Datum seit Monaten schon auswendig. Viele von uns fiebern diesem Tag regelrecht entgegen. Einige zählen Stunden, ich zähle Tage. Ab dem 15.September sind die Bediensteten der Wiesn out of order! Da zählt im Kopf nur noch eins: hab ich an alles gedacht.

Für all die vielen Bediensteten auf dem Oktoberfest ist der Tag des „Einstuhlens“, in den großen Zelten nennt man das „Einschreiben“ in den kleinen heißt es fast überall „Einstuhlen“, jedenfalls der Tag, an dem man zum ersten Mal auf die Wiesn fährt, so etwas wie der inoffizielle Beginn. Man trifft all die Kollegen endlich wieder, man sieht das leere, fertig aufgebaute Zelt zum ersten Mal und man kommt einfach irgendwie heim. Ein Tag auf den jeder von uns wirklich hin fiebert.

Nun, am Jahresbeginn kann es schon Mal sein, dass sich der ein oder andere mit dem „Wiesnbeginn“ noch nicht final auseinandergesetzt hat. Eine Woche hin oder her kann man sich da schon mal vertun. Sicher ist, es fängt irgendwann in der zweiten Septemberhälfte an. Spätestens aber im Sommer, weiß ein jeder den Tag des Anstiches aus dem FF.

Besonders amüsant ist es deshalb, wenn dann solch kleine „Terminpannen“ passieren. Und die gibt es tatsächlich. Ehrlich. Es gibt Kollegen, die ihren Urlaub so unglücklich buchen, dass sie erst kurz vor knapp in München ankommen. Es gibt Bedienungen, die freudestrahlend noch Einladungen zu Hochzeiten annehmen, die unglücklicherweise direkt auf den Anstichtag fallen und es gibt Keller, die als Taufpate leider an der Taufe nicht teilnehmen können, weil sie nämlich an diesem Tag die Trachtler bedienen dürfen.

Es gibt auch ein paar wuide, die können es gar nicht erwarten. Die sind so narrisch auf die Wiesn. Die fangen gleich eine Woche früher an. Sicherlich ist bei der folgenden Geschichte eine Menge Situationskomik ausschlaggebend für meinen tränenreichen Lachflash, aber ich werde versuchen, es mit all meinen Vorstellungen so wieder zu geben, dass auch ihr etwas davon habt:

Lasst uns ins Kino gehen

Ein Wiesn-Stammgast hat per Facebook einen Aufruf gestartet: „Kino – kommenden Freitag. Wer will mitgehen.“ Es bestand durchaus reges Interesse. Unter anderem haben sich auch einige Kollegen und Kolleginnen zu Wort gemeldet. „Oh ja, Kino, ich bin dabei!“ klang der allgemeine Tenor. Dann passiert folgendes: ein Kollege aus einem beliebten großen Bierzelt kommentiert: „Am nächsten Tag beginnt die Wiesn! Alter! Was´n mit dir los? Weeeer in Gottes Namen will am Abend vor der Wiesn ins Kino gehen? Da gehört man daheim ins Bett, damit man pünktlich, frisch und fröhlich an seinem angestammten Platz sitzt am nächsten Tag!“ Grundsätzlich eine völlig korrekte Aussage! Wäre da nicht das Datums Problem! Ich lese diesen Kommentar und brauche kein Kino mehr, denn in meinem Kopf läuft folgender Film: Es ist Samstagmorgen. Der kleine Toni (der, der den Kommentar verfasst hat) macht sich geschniegelt und gebügelt mit Wischmop, Eimer und Schlitten bewaffnet auf den Weg zur Wiesn. Beim Personaleingang, welchen wir dieses Jahr dank der Terrorgefahr ja nutzen müssen, freut er sich wie ein Schneekönig, dass er der erste ist und nicht in der Schlange anstehen muss um seinen Rucksack kontrollieren zu lassen. Freudestrahlend und mit einem super Gefühl im Bauch schlendert er dann, seinen Schlitten schwingend über die Festwiese bis hin zu der heiligen Bierhalle der Bräurosl. Einen kurzen Moment hält er inne und überlegt, warum auch hier keine feierwütigen Gäste anstehen, um ins Zelt zu drängen und sich die besten Plätze zu sichern. Er schiebt diesen Umstand dann aber umgehend auf die Terrorangst. Im Zelt begibt er sich dann gleich in seinen Servicebereich, dieser befindet sich wie jedes Jahr direkt vor der Musikbühne im Mittelschiff. Er setzt sich auf eine der Bierbänke, atmet tief ein und wartet. Er wartet und wartet. Als um 11.30 Uhr immer noch kein einziger Stammgast im Zelt ist, zückt er sein Handy und ruft den ersten an: „Alter! Was´n los mit dir, wo bist du? Hast verschlafen, oder? Hab ja gleich gesagt, du sollst nicht ins Kino gehen, weil es für dich zu anstrengend ist und du am nächsten Tag verschläfst!“ – hier hört mein Kopfkino auf, weil ich vor lauter lachen einfach nicht mehr kann. Weil mir die Tränen über das Gesicht laufen, in dem Moment wo ich mir vorstelle, wie der kleine Toni ganz alleine in seinem Service sitzt und auf seine treuen Stammgäste wartet…

Lieber Goldi, vielen Dank für Deinen Facebookpost. Und ganz nebenbei, vielen lieben Dank für alles Andere!

Lieber Toni, vielen, vielen Dank für deinen Kommentar und die damit verbundene Steilvorlage für einen Tagebucheintrag. Vielen Dank, dass du mir ein herzliches Lachen rausgekitzelt hast.

Und weil ich grade davon spreche: vielen lieben herzlichen Dank an all meine wunderbaren Stammgäste. An all die vielen lieben Menschen, die mich jedes Jahr so zahlreich besuchen kommen. Die mich zum Teil schon während meiner gesamten Karriere auf der Wiesn begleiten. An all diejenigen, die meine Wiesn so besonders machen.

Wenn dieses Jahr auch nicht alles so gewiss ist, einer Sache können meine Kollegen und ich uns jedoch sicher sein – unser Stammgäste lassen uns nicht im Stich – auch nicht den Toni. Um sämtlichen Eventualitäten jedoch vorzubeugen, hier noch mal für Alle:

 

Die Wiesn 2016 beginnt am

Samstag, 17. September 2016

um 12:00 MEZ

 

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