Wiesn Tagebuch – noch 8 und der Rest von heute

Liebesbrief an die Wiesn

Heute in einer Woche – ist der Tag vor der Wiesn. Was bis hier her nicht geschafft, organisiert oder geplant ist – ist es eben nicht. Deadline so zu sagen. Heute, eine Woche vorher, ist der Terminkalender voll und die To-Do Liste unendlich lang. Bevor ich mich aber in die Erfüllung selbiger stürze, möchte ich mir kurz die Zeit nehmen und ein bisschen sinnieren. Über das, was da auf mich zu kommt. Über 19 Tage im Ausnahmezustand und über meine Wiesn.
Nach kurzer Zeit kommt dabei ein regelrechter Liebesbrief zusammen. Ein Liebesbrief an ein Volksfest? Ja, ein Liebesbrief an die Wiesn. An meine Wiesn. So wie nur ich die kenne – weil ich das Glück habe, sie seit 30 Jahren erleben zu dürfen. Ganz anders wie Touristen, ganz anders wie „Zuagroaste“, ganz anderes wie viele andere Menschen. Ich habe eine besondere Beziehung zur Wiesn. Und deswegen liebe ich sie. Wie das geht? Das versuche ich euch gerne zu erklären:
Liebe auf den ersten Blick.
Als ich damals, vor vielen Jahren, das erste Mal auf die Wiesn gehen durfte, war ich grade mal 9 Monate alt.

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Damals ging das noch ohne Probleme. Die Wiesn war noch nicht so unendlich überfüllt. Und weil mein Opa immer einen Tisch in einer Box hatte, konnten meine Eltern mich auch ohne Sorge tagsüber mitnehmen. Meine Oma hatte das Privileg einen Brezenstandl auf der Südseite der Bräurosl zu haben. Direkt am Eingang zum Biergarten. Wenn die Oma am Donnerstag vor der Wiesn ihr Standl eingeräumt hat, dann ist der Opa mit rausgefahren und hat ihr natürlich geholfen. Weil er schon mal da war, ist er gleich ins Zelt rein, zu seinen beiden „Lieblingsbedienungen“ und hat beim „Glaslwaschen“ geholfen. Das hat man früher so gemacht. Das war natürlich ein großes SERVUS. In meinem ersten Lebensjahr hat der Opa mit damals schon mitgenommen – zum Glaslwaschen. Ganz stolz hat er Allen seine Enkelin gezeigt. Und mich, mich hat an diesem Donnerstag, 19. September 1985, das Wiesnfieber gepackt. Einfach so. Ganz ohne Bier und ohne Dirndl. Nur den Wiesnrausch, den habe ich da schon eingeatmet. Bis heute bin ich den nicht mehr losgeworden.

Dieser ganz besondere Duft.

Zeit meines Lebens bin ich am U-Bahn Ausgang Theresienwiese ausgestiegen, wenn ich auf die Wiesn wollte. Seit ich denken kann, transportiert eine lange Rolltreppe die vielen, vielen Gäste aus dem Untergrund an die Oberfläche. Im oberen Drittel der Rolltreppe, steigt einem dann zum ersten Mal der Wiesnduft in die Nase. Ein ganz besonderer Duft. Der niemals auf der Welt irgendwo nachempfunden werden kann. Man kann den nicht komplett richtig beschreiben – ich versuche es aber: es riecht nach den süßen und knackigen gebrannten Mandeln, nach Vanillesoße und nach Lebkuchen. Weil gleich neben der U-Bahn-Station die Fischer-Vroni angesiedelt ist, vermischt sich dieser Duft mit frischen, über dem Feuer gebratenen Steckerlfisch. Wenn man rechts abbiegt, in Richtung zur Wirtsbudenstrasse, dann lässt die Vanillesoße etwas nach und der Duft von Hopfen und frischem Bier verstärkt sich. Dazu kommt nach ein paar Metern dann Pferdegeruch. Nur ganz leicht. Aber die großen schweren Brauerei-Rösser riechen nach Land, nach Wiese, nach Freiheit und natürlich nach Pferd. Ich mag das. Ich laufe noch ein bisschen weiter, die Fischer-Vroni habe ich hinter mir gelassen, und kann jetzt die ersten reschen Brezen und die knusprigen Hendl riechen. Salzig und herzhaft. Am nächsten Mandl-Standl wird die süße Note wieder etwas stärker. Und ein paar Meter weiter riecht man die Pferde nicht mehr, dafür aber Lebkuchen. Es ist schließlich Herbst in München und eine Wiesn ohne Herzal wäre undenkbar. All diese herrlichen Komponenten machen diesen ganz besonderen Wiesnduft aus. Diesen Duft, der mir beim drüber nachdenken gleich Gänsehaut macht. (Für all die Schwarzmaler unter meinen Lesern: Gerüche die man auf dem Heimweg von der Wiesn zwangsweise einatmen muss, gehören dazu – machen es aber nicht aus!)

Die Wahrzeichen im Blick

Ein sich drehender Maßkrug auf einem hohen Turm. Ein brüllender Löwe. Das Riesenrad. Der Augustinerturm. Der Freefall. Der 5er Looping. Die Paulskirche. Die Mama.
Egal wo man steht auf der Wiesn. Wenn man seinen Blick nach vorne-oben richtet, sieht man von jeder Stelle aus mindestens eines dieser „Wiesn-Wahrzeichen“. Jedes für sich eine wunderbare Geschichte. Jedes für sich ist ein Teil von der Wiesn. Alle zusammen gibt es eben nur auf der Theresienwiese. Unverkennbar. Das älteste dieser Wahrzeichen ist die Bavaria. Die steht schließlich seit 1850 thronend über der Festwiese. Die Paulskirche wurde 1906 fertig gestellt. Alle anderen großen Gebilde sieht man nur zur Wiesnzeit. Den schönsten Blick auf der Wiesn hat man, wie sollte es anders sein, im Riesenrad. Hoch über den Dächern der Stadt kann man bei Fön bis in die Alpen schauen, über den Englischen Garten und natürlichen all die historischen Bauten unserer wundervollen Stadt erspähen. Seit 5 Jahren nun, betrete ich die Wiesn immer vom Goetheplatz kommend. Der erste Blick geht dann zur Bavaria. Die Mama steht wie eh und je über Allem. Mit dem Eichenkranz in der linken Hand, dem Löwen und dem gezogenen Schwert zu ihrer Rechten zeugt die Bronzestatue von Wehrhaftigkeit. Sie wacht und schützt, schenkt Mut und Schneid. Und während der ganzen Wiesn ist die „Mama“ die einzige, von der ständig und unter allen Umständen eine Ruhe und Gelassenheit ausgeht – möge das immer so bleiben!

Geliebte Liebe

Ich liebe die Wiesn als solches. Ich liebe all die Geschichten, die Kleinigkeiten, die großen Dinge, eben alles was die Wiesn ausmacht. Und ich habe auf der Wiesn schon ganz viel Liebe gefunden. Nicht körperliche. Nicht lebenslange. Nicht treueschwörende Liebe. Aber Liebe. Zu Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind. Die ich irgendwie liebgewonnen habe. Ein Bayer sagt nicht „ich liebe dich“ des sind erstens zu viele Buchstaben, zweitens die falsche Grammatik und drittens: hört es sich auf bayerisch einfach bläd o! I lieb di! Sogt ma ned. Es gibt für „ich liebe dich“ aber auch keinen bayerischen Ausdruck. I love you. Ti amo. Je t´aime. Kimi o ai shiteru. Ya tyebya lyublyu. In jeder Sprache kann man ich liebe dich sagen. Nur eben nicht auf bayerisch. Bei uns heißt das: „i mog di“ „i hob di gern“ oder des höchste der Gefühle: „i hob di sakrisch (narrisch) gern“ Das wiederum ist auch einer der Gründe, warum man auf der Wiesn zwar prima „O´bandln“ kann, aber nur in den seltensten Fällen die wahre, echte, große Liebe findet. Man findet „G´spusi“ also Menschen mit denen man eine schöne Zeit verbringt, von denen man Komplimente hört und mit denen man vielleicht mal ein bisschen schmust. Man findet „Spezi“, Menschen die Freunde fürs Leben werden, mit denen man durch dick und dünn gehen kann. Und man findet jedes Jahr mindestens eine „Wiesn-Liebe“. Wenn es ganz gut läuft sogar eine „Nach-da-Wiesn-Liebe“. Bis zur nächsten Wiesn sollte man sich aber von selbiger allerdings wieder entledigt haben. Einzig wirklich lieben kann man also nur die Wiesn selber. Weil die eben so viel „Schmuserei“ und „Gernhaberei“ mit sich bringt – deswegen liebe ich die Wiesn. Wenn man heute die Tageszeitungen aus aller Welt aufschlägt, wird einem nämlich postwendend bewusst:

„Es werd vui z´wenig gschmust auf dera Welt!“

Wird Zeit, dass die Wiesn losgeht, und sich des wieder ändert! In diesem Sinne: geht’s auf´d Wiesn, denkts an mi und gebt´s da Nachbarin einfach moi a Bussal. A schneens G´fui. Ganz ohne große Liebe und ewige Treue. Einfach nur weil´s de Menschen um Euch rum gern habt´s! Und a Bussi in Ehren kon koana verwehren.
(Bevor die daheimgebliebenen angetrauten Ringträger jetzt hektische rote Flecken bekommen: braucht´s nicht!)

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