Wiesn Tagebuch – noch 23 und der Rest von heute

Ich lebe wieder

Die Dirndl sind gewaschen und hängen wieder im Schrank, warten auf den nächsten Einsatz. In einem Jahr, wenn es in Dachau wieder heißt „O´zapft is“.

Ich lasse das Volksfest auf der Ludwig-Thoma-Wiese kurz Revue passieren – schee wars. Einfach schön. Tolles Biergarten Wetter, viel zu heiß für´s Zelt. Überwiegend nette Gäste und lustige Menschen. Großartige Kollegen und eine fantastische Zeit in dieser geschichtsträchtigen Stadt.

Jetzt hat mich das echte Leben wieder. Die Stimme kehrt langsam zurück, die Schmerzen an Knochen, Gelenken und Muskeln sind fast weg und der Kaffee aus der eigenen Kaffeemaschine schmeckt in der Früh einfach am besten.

Das ganz normale Leben ist in meinen Körper zurückgekehrt. Morgens vor den Kinder aufstehen, damit ich in Ruhe wach werden kann. Mittags kochen, damit die Familie was zu essen hat und den Abend mit Freunden beim Grillen ausklingen lassen. Schönes Leben. Eins der schönsten wie ich finde.

„Brauchen wir noch Regenjacken? Vielleicht alle die gleichen, mit einer kleinen Stickerei?“ durch das Telefon klingt die bezaubernde, erholte und fröhliche Stimme meiner Lieblingskollegin. Sie hat völlig recht. Wir sollten mit unseren Chefs reden, dass wir wenigstens im Garten Regenfeste Jacke bekommen. Klar, dass wir hier nicht von unserem Garten reden. Sondern vom Wiesn Biergarten. Klar, dass jetzt bei 35 Grad im Schatten die Vorstellung von Regenjacken direkt schweißtreibend ist, aber klar ist auch – das wettertechnisch nichts klar ist. Der Spätherbst kann in unseren Breitengraden ein rot-goldener sein. Mit warmen Temperaturen und sternenklaren, frischen Nächten. Er kann aber auch einer weiß-grauen Suppenparty ähneln. Mit Dauerregen und wolkenverhangen. Depressiv gestimmt und gruselig. Kalt, nass, ekelhaft. Dem handelsüblichen Wiesngänger ist des eine Wetter so wurscht wie das andere. Der Münchner an sich lebt ja eher nach dem Motto: „I g´frei mi, wenns regnet, weil wenn i mi ned g´frei, regnet es auch.“ Ehrlicherweise muss man natürlich gestehen: Wiesn bei Sonnenschein ist bei weitem schöner als bei grauem Regenwetter – wurscht ist es uns aber dennoch. Hin gehen wir ja sowieso. Und weil wir hingehen, gehen auch unsere Gäste oder umgekehrt, weil unsere Gäste hin gehen, gehen auch wir hin. Nun ja, wie auch immer. Regenjacken jedenfalls wären wundervoll.

Und just in diesem Moment, in dem ich grade noch festgestellt habe, das mich das normale Leben wieder hat – bin ich mit den Gedanken schon wieder mitten im Getümmel, auf der Theresienwiese zu München. Am Fuße der Bavaria mit Blick auf die Paulskirche. Und Gänsehaut läuft mir über den Rücken.

Ich lebe wieder. Die Vorfreude steigt. Noch 23 Tage und der Rest von heute!

Morgen: Das Besteck der Bedienung.

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