Wiesn Tagebuch – noch 20 und der Rest von heute

Ab zum Rhein

Ich bin der Inbegriff eines Münchner Kindl und hundsstolz drauf! München ist meine Stadt. Mein Herz. Mein Blut ist weiß und blau. Weißwürscht sind immer ein Frühstück und Helles ist für mich ein Grundnahrungsmittel. Brezen helfen gegen alles und Zwetschgendatischi macht glücklich. Ein Spaziergang durch München hilft beim „Akku aufladen“ und die Füße in die Isar hängen erweckt neue Lebensgeister.

Nichts desto trotz, es gibt in unserem vielfältigen Land noch einige andere tolle Ecken, denen ich einiges abgewinnen kann. Der Niederrhein beispielsweise. Ob nun die Domstadt mit Häz, Kölns Parkplatz oder der Bökelberg. Entlang des Rheins kann ich mich schon auch wohlfühlen. Es ist ganz anderes wie daheim. Aber eben auch schön.

Bevor ich mich in den nächsten Tagen völlig in die Wiesn Vorbereitungen stürze, nehme ich mir noch ein paar Tage Auszeit. Und spioniere. Und erzähle Euch davon. Habe nämlich gehört, dass im Neuss´er Hoheitsgebiet ein Bierzelt aufgebaut wurde. Das muss ich mir anschauen. Ganz ohne Dirndl und ohne Maßkrüge. Als Gast. Inkognito.

5 Alt san a Maß

Ein Liter Bier gilt im Freistaat als Maßeinheit. „A Hoibe“ auch. Sonst gibt es nix. Du bestellst a Maß oder a Hoibe. Wenn du im Wirtshaus ein kleines Bier haben willst, wird es ähnlich schwierig wie im Bierzelt a Hoibe zu bekommen. So ist das Gesetz. Du kannst natürlich am Volksfest auf Weißbier umsteigen, dass wird handelsüblich in 0,5l Litern, also als Hoibe ausgeschenkt. Kleiner gibt´s nix. Nicht im Freistaat. Wie schaut des auch aus, wenn eine kernige Bedienung mit 10 Reagenzgläsern durch die Menge läuft, weil zwei Mannsbilder Durst haben.

Aber es gibt Bierzelte, da bekommt der Gast den Gerstensaft in 0,2 Liter Einheiten. Ehrlich. Das ist kein Scherz. Gut, die Bedienung schaut nicht ganz so „daarbat“ aus wie bei uns in Bayern – dafür hat sie sicherlich mehr Kilometer auf der Felge wie unsereins. Obwohl – stimmt wahrscheinlich auch nicht. Diese Art Bierzelt hat nämlich nicht nur kleine Gläser, sondern auch Selbstbedienung. Heißt, die Gäste können an der Theke ihr Bier ordern (und das für ihre Kollegen gleich mit) und tragen dann die süßen kleinen Gläser auf runden Tabletts zum Stehtisch. Jaaa, wir sind immer noch im Bierzelt. Wo rings um die Isar im handelsüblichen Bierzelt eine Biertischgarnitur an die nächste gereiht ist – ist in Rheinnähe das Bierzelt zwar auch mit Tisch und Bank ausgestattet, aber eben auch mit Stehtisch und Theke.

Bevor ich jetzt für den Rest meines Lebens Einreiseverbot für Nordrheinwestfalen bekomme: Eure kleinen Gläser sind gefährlich. Sehr gefährlich. Viel gefährlicher wie unsere großen! Zumindest dann, wenn man vorher über die kleinen Gläser lustig macht!

Allerdings: Ihr, liebe Verfechter des Reagenzglases, ihr seht nach 5 Alt um Welten besser aus, als nach 1 Maß. Muss ja auch mal gesagt sein.

Woran das liegt – ich versuche mich mal in einer Erklärung.

Münchner Hell – wird auch Lagerbier oder einfach nur Helles genannt. Helles ist eine untergärige, hellgelbe und schwach gehopfte Biersorte. Das bedeutet es ist sehr mild im Geschmack, hat kaum Bitterstoffe und wird vor der Abfüllung gefiltert. Das sogenannte „blanke Bier“ hat einen vergleichsweise niedrigen Alkoholgehalt von 4,7 bis 5,4 Volumenprozent. Festbier, Märzen oder Spezial ist ein etwas stärker eingebrautes Bier. Die Münchner Brauereien brauen sowohl für die Wiesn wie auch für die Starkbierzeit eigens ein Bier. Festbier und natürlich auch das Starkbier hat einen erheblich höheren Alkoholgehalt. Das Oktoberfestbier von Augustiner zum Beispiel liegt mit 6,2% vol. im Maßkrug. Die Spatenbrauerei wird mit ihrem „Wiesn-Kinderbier“ oftmals verhöhnt, bittere und trockene 5,7% vol. sammeln sich hier im Maßkrug – man könnte leicht eine mehr trinken, wenn sie denn dann schmeckt.

Altbier – das Grundnahrungsmittel am Niederrhein. Altbier ist eine obergärige Biersorte. Obergärig bedeutet, dass der Gärprozess bei einer höheren Temperatur stattfindet wie bei untergärigen Bier. Im Vergleich zum „Hellen“ aus Bayern ist das „Alt“ vom Niederrhein dunkel und sehr kräftig in der Farbe. Und nicht nur das, auch im Geschmack ist des dank des höheren Stammwürze Gehaltes auch kräftiger und aromatischer. Hoher Stammwürze Gehalt bedeutet automatisch auch ein höherer Alkoholgehalt. 4,9% vol. legt ein durchschnittliches Alt in das Reagenzglas.

 

Prima – jetzt wissen wir zwar, dass Alt stärkeres Bier ist wie Helles, verstehen aber noch immer nicht, warum die Alt-Trinker das Helle nicht so gut vertragen und andersrum genauso.

Das liegt an den Gläsern. Zum einen schmeckt Helles nicht aus kleinen Gläsern und Alt nicht aus großen Gläsern. Zum anderen ist die Taktung der Trinkgeschwindigkeit individuell der Glasgröße anzupassen – und da liegt der Hund begraben! Während man die erste Maß Bier in unterschiedlichen Schluckgrößen auf 27 Minuten verteilt austrinkt, verhält es sich mit 5 Alt genauso nur ganz anders. Das erste schmeckt nur ganz schnell ganz gut. Das zweite genießt man. Das dritte muss man trinken. Das vierte schmeckt nur ganz schnell und ab dem fünften genießt man wieder jedes. Wir haben jetzt 38 Minuten gebraucht für den ersten Liter Alt-Bier.

Das ist das ganz Geheimnis. Es geht mit Alt nicht schneller und mit Hellem nicht langsamer!

Wer diese Regel jedoch beherrscht, der kann am Rhein das Alt aus kleinen Gläsern und in Bayern das Helle aus großen genießen und – und das ist das wichtigste – sich am nächsten Tag noch dran erinnern!

Prost meine Herrschaften!

Morgen: ein Tänzchen für den König

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