Wiesn Tagebuch – 30 bis 26 und der Rest von heute

Geschichten aus dem Bierzelt

Ein Schlitten voll Essen

 

Im Bierzelt bekommt man schnell was zu essen. Man wartet in der Regel keine 5 Minuten bis der dampfende Schweinebraten, die knusprigen Hendl oder die resche Brezen vor einem stehen. Es gibt aber Ausnahmen. Manchmal läuft es einfach nicht. Nicht in der Küche, nicht am Pass. Weil der Strom ausfällt, weil die Knödel ausgehen, weil auf einmal alle gleichzeitig Essen haben wollen, weil 56 Bedienungen anstehen. Weil es einfach nicht rund läuft. Dann warten Gäste auf ihr Essen. 30 Minuten, 40 Minuten. Das passiert äußerst selten aber es passiert. „Haben Sie uns vergessen?“ Fragt der Gast meinen Kollegen. Der lächelt freundlich und zeigt auf die ewig lange Schlange Bedienungen, die quer durch das ganze Bierzelt mit Schlitten bewaffnet an der Küche anstehen. „Nein, aber schaun´s, die Kollegin steht in der Schlange. Ein bisschen müssen Sie sich noch gedulden – aber mir san ja im Bierzelt und nicht auf der Flucht!“ 27 Minuten bin ich in der Schlange gestanden bis ich endlich meine 10 Gerichte quer durch die Speisekarte auf den Schlitten geladen habe. Dazu noch extra Beilagen. Alles hübsch angerichtet auf den dicken, schweren Porzellantellern. Keine Ahnung, was 14 Teller wiegen – aber so ganz leicht sind die nicht. In einem Affen Tempo flitze ich mit dem Schlitten auf der Schulter durch das Zelt in meine Servicestation Tisch 4. Leer. „Wo san de?“ „Sind heimgegangen, wollten nicht so lange warten!“ Alles klar! Da stehst du, mit einem Schlitten voll Essen, was du vorher von deinem eigenen Geld eingekauft hast. Und die Gäste sind weg. Zurück in die Küche ist keine Option. Der Küchenchef erschlägt dich! Kurz überlegt! Bomben-Idee! Ich gehe langsam von Tisch zu Tisch „Heute Flying-Buffet, im Angebot sind Rollbraten, Ente, Schweinebraten, gefüllte Paprika und noch vieles mehr, wer mog was haben?“ Erst schauen alle verdutzt. Dann kommen Kommentare wie „aber wir haben schon bestellt“ Ok Leute, ihr könnt es jetzt einfach sofort haben, oder ihr wartet eine halbe Stunde. Nach 1,3 Minuten war der Schlitten leer. Ich habe mich wieder angestellt an der Küche. An Guad´n Goldi!

A hoibe Maß

1 Liter Bier passt in einen Maßkrug. Mehr nicht. Weniger schon. Wenn ich beim Metzger ein Kilo Fleisch kaufe, legt der es auf die Waage und berechnet auf das Gram genau den Preis. Wenn ich im Supermarkt einen Liter Milch kaufe ist in der Packung genau 1 Liter drin. Im Bierzelt bekomme ich den Krug, mit goldbrauner Flüssigkeit und weißem Schaum. Eine gute Bedienung nimmt nur Krüge von der Schänke mit, die gut eingeschenkt sind. Nur Maßen, die eine schöne, frische Schaumkrone haben. Lieber streitet die Bedienung mit der Schänke, als mit dem Gast. Und glaubt mir, liebe Leser! Wir Bedienungen müssen uns einiges anhören an der Schänke. Einem Schankkellner zu sagen, er soll nachschenken, er soll bitte ganz vollmachen oder er möge bitte etwas Schaum auf die Maß geben, ist kein Spaziergang. Von wüsten Beschimpfungen bis hin zu „geh leck mi am Arsch“ hören wir da alles. Ein riesiger Tanz jedes Mal. Mir ist des egal. Ich bleibe so lang an der Schänke stehen, bis die Maß so voll ist, wie es sich gehört. Wenn es richtig stressig ist, dann achte ich nicht so sehr darauf – weil wenn 10 Bedienungen hinter dir stehen, dann fängst du nicht an zu streiten, schließlich möchtest du den Abend ja überleben. Grundsätzlich achte ich aber schon darauf, immer die schöneren Maß raus zu suchen. Zur Folge hat das natürlich, dass ich nur ganz ganz selten für eine schlecht eingeschenkte Maß angepflaumt werde von meinen Gästen. Ich muss auch eigentlich nie zurückgehen und nachschenken lassen. Von einer wunderbaren Geschichte möchte ich Euch aber erzählen: „Paula, bringst uns 10 Schaumige!“ so geht die Geschichte los. Wenn du an die Schänke gehst und 10 Schaumige bestellst zauberst du damit selbst dem grantigsten Schankkellner ein Lächeln ins Gesicht. Ein Maßkrug voll Schaum – schaut ein bisschen aus wie ein Milchmixgetränk. Bis du dann bei deinen Gästen angekommen bist, ist ca. ¼ zu Bier geworden, der Rest ist immer noch Schaum. Auf dem Weg zum Tisch ist es ähnlich eines Spießroutenlaufs: „Mei schau dir des an, des ist ja eine Frechheit“ „Des is doch kein Bier“ „So schlecht eingeschenkt, das ist ja unverschämt!“ Das ist nicht unverschämt, das sind Schaumige. Meine Gäste freuen sich. Obwohl sie das gleiche bezahlen müssen wie für eine normale Maß – wer einmal eine Schaumige getrunken hat – bestellt die immer wieder. Frisches Bier ist einfach was ganz was guads. Wohlsein Bäda!

 

Käsespätzle – Herzenssache

chefkochde

Im Bierzelt isst man a hoibs Hendl. Oder an Schweinsbraten. A Brotzeitbrettl mit Radi, Kas, Leberwurst und Obazd´n oder an Wurschtsalod. A Schweinshax´n oder a viertelte Ant´n. Jedenfalls deftig. Und fleischlastig. Ein fleischloser Bierzeltklassiger sind ohne Frage „KaasSpotz´n“ mit Röstzwiebeln. Neben dem Obazt´n ein klar favorisiertes Mädchen-Essen. Für gute Käsespätzle kann ich sterben. Cremig, bissig, würzig und der Käse zieht Fäden. Mhhh, was ganz Feines. Männer bestellen nur in den seltensten Fällen Kasspotz´n. Aber wenn einer bei mir welche bestellt, dann ist des ein Mann fürs Leben. Seit 13 Jahren arbeite ich jetzt im Bierzelt. Ich hab schon viel erlebt. Viele Dinge sind im einen Jahr so und im anderen Jahr so. Man lernt viele Menschen kennen und man weiß oft schon, wenn sie sich hinsetzten was die jetzt gleich bestellen. Da bekommt man mit der Zeit ein Gefühl dafür. Mit den Kollegen schließt man manchmal Wetten ab, was man gleich für Bestellungen aufnimmt. Meistes liegt man ganz gut. Manchmal vertut man sich auch komplett. Aber eins hab ich in den 13 Jahren gelernt: wenn ein Mann bei mir Kasspotz´n bestellt, werden wir Freunde. Des war immer so. All die Jahre. Da kamen wild fremde Menschen zufällig zu mir. Einer hat einen Teller Kasspotz´n bestellt. Des war immer der liebste, netteste, sympathischste und irgendwie auch immer der hübscheste Mann an dem Tisch. Es ist verrückt. Ich habe keine Erklärung für dieses Phänomen. Klar, man könnte jetzt sagen, weil ich des gerne esse, mag ich auch die Menschen die das gerne essen. Aber so ist das irgendwie nicht. Männer die im Bierzelt Kasspotz´n bestellen sind irgendwie besonders. Dieses Jahr habe ich mir fest vorgenommen, diese Theorie zu wiederlegen.  Ich wollte wirklich feststellen, dass es ganz normale 08/15 Männer gibt die des einfach bestellen. Aber es geht nicht. Die gibt es nicht. Der erste Gast, der welche bestellt hat, war ein mitfünfziger, total nett und sympathisch. Lustig und humorvoll. Als der größte Stress vorbei war, haben wir ein bisschen geratscht und er hat mir einen Schluck von seinem Bier gegeben. Wäre ich Mitte 40 hätte ich bestimmt nach seiner Handynummer gefragt. Der zweite war ein Bekannter. Ein Stammgast von mir. Sowohl in Dachau, wie auch auf der Wies´n. Der zählt natürlich nicht. Weil ich ja schon weiß, dass des ein toller Mensch ist. Der dritte der die schwäbische Spezialität bestellt hat, hat dann erzählt, dass er selbst Koch ist und an den Käsespätzle immer testet, ob die Küche was kann. War ein wunderbarer Abend, wir hatten viel Spaß und haben uns nett unterhalten. Bei vierten, habe ich mir dann überlegt meine Bedienungs-Strategie zu ändern. Statt „ja freilich gern, bring i glei“ hab ich gesagt: „Kasspotz´n im Bierzelt, jaaaaa freilich. Derfs no a Limo sein dazu?“ Zugegeben. Ein äußerst hübsches Exemplar an Mannsbild, was die Bestellung bei mir aufgegeben hat. Mit meinem großen Mundwerk war er im ersten Moment direkt etwas überfordert. Einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, es wäre ihm sogar peinlich. Natürlich hab ich ihm sein Essen gebracht und natürlich keine Limo, sondern ein Bier. Weil aber Spätzle im Magen liegen wie ein Stein, noch dazu, wenn man kaltes Bier darauf schüttet, musste ein Schnaps her. Da habe ich ihn natürlich unterstützt. Kann meine armen Gäste ja in ihrem Elend nicht alleine lassen. Was soll ich sagen, es wurden mehrere Schnäpse draus und eine ganz wunderbare Freundschaft bahnt sich da an. Einfach, weil wir uns richtig gut verstehen. Mei, und als Bedienung bist du einfach machtlos. Wenn ein hinreißend gutaussehender, sympathischer und lustiger Mann bei dir Käsespätzle bestellt und zwei Tage später gleich nochmal vorbei kommt zum Mittagessen – natürlich Spätzle – dann muaßt den einfach mögen. Im Übrigen heißt des nicht, dass Menschen die was anderes essen nicht auch nett und sympathisch sind.

Aber der gemeine Käsespätzle-Esser ist eben was ganz besonderes. Oiso a Herzensangelegenheit. Mahlzeit Simon!

 

Es gäbe noch so viele lustige, interessante und humorvolle Geschichten aus dem Bierzelt. Es gäbe natürlich auch jede Menge gruselige und schaurig-schöne Geschichten. Aber für heute ist es erstmal genug. Muss nämlich ins Bierzelt. Das letzte Wochenende steht vor der Tür.

Noch 26 Tage und der Rest von heute… dann ist Dachau schon lange Geschichte und die Wies´n geht endlich los. Da kribbelt es gleich unter der Haut.

Morgen: Hulapalu

One thought on “Wiesn Tagebuch – 30 bis 26 und der Rest von heute

  1. ah wenns nur Dachau war . Quasi der warm Up. War es ein toller Grund für mich nach über 20 Jahren mal doch wieder aufs Dachauer zu gehen. Bereut hab ich es nicht . Dank dem super Franzi Service und auch iOS easy. Danke für die Erfahrung . ??

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