Mein Karma braucht Kaffe – 1

Es ist die Erfahrung die uns Erwachsen werden lässt.

Es ist die Liebe die uns wachsen lässt.

Es sind die Erinnerungen, die unsere Zukunft gestalten.

 

„Wenn das hier die Lösung ist, dann hätte ich gerne mein Problem wieder.“ lacht Antonia mir ins Telefon. Mir ist so gar nicht zum Lachen zu mute. Aber Antonias herrlich aufmunternde Art tut mir gut. „Puppe, ich komm jetzt zu dir, dann machen wir ein Fläschen Wein auf und dann schaut die Welt morgen schon viel hübscher aus!“ „Donie, nach einer Nacht mit Wein und dir sah am nächsten Tag selten etwas hübsch aus!“ ich muss schmunzeln. Sie lacht schallend, erklärt mir noch schnell, sie müsse noch duschen und beim Carlo vorbei und kommt dann direktamento zu mir. Carlo ist der Weinhändler unseres Vertrauens. Ein kleiner vogelwilder Italiener. Sein Weindepot liegt in Sichtweite zur Frauenkirche. Neben einer hervorragenden Weinauswahl hat er selbstredend auch andere feine italienische Köstlichkeiten – von Oliven bis Biscotti, alles was das Leben in München zu echt „Dolce Vita“ werden lässt und vor allem auch feine Kaffeespezialitäten und natürlich den neuesten Klatsch und Tratsch. Wenn man bei Carlo vorbeischaut, bedeutet des grundsätzlich, man braucht Zeit. Antonia, oder wie ich sie liebevoll nenne, Donie, wird also meiner Berechnung nach zu Folge nicht in den nächsten 2Stunden bei mir auftauchen. Ich habe also genügend Zeit, eine dringend notwendige Altbaurestauration an meinem Körper vorzunehmen.

Seitdem vor sage und schreibe 7 Tagen mein zukünftiger Ex-Mann unsere gemeinsame Wohnung verlassen hat, hat mein Körper weder Wasser noch Seife gesehen, geschweige denn sind meine Haare mit einer Bürste konfrontiert worden.

Während ich hier so auf meiner Couch liege und darüber nachdenke, wie sich frisches Wasser und Seife auf meiner Haut anfühlt, Simon&Garfunkel mir ihren Boxer ans Trommelfell schmettern und mir eine Träne über meine Wange kullert, schlafe ich schon wieder ein.

„i wünsch da auf die Titten no zwoa zusätzliche Warzen, i wünsch da Hämorriden und koan Finger frei zum Kratzen, dass des nächsten Mal beim Zahnarzt da Bohrer kurz verrutscht und an Zentimeter tief ins Zahnfleisch eine flutscht.“

untermalt von dem schrillen klingeln der Haustürglocke, ist das nächste was ich höre. Im ersten Moment kann ich weder den Text des Liedes zuordnen noch diese abartig laute Klingel. Aber dann nehme ich mein Handy und streiche wie verrückt gefühlte 15mal gegen grün und renne im gleichen Moment zum Türöffner. Sofort ist alles leise, bis im nächsten Moment „Paula, zefix, was is mit dir!“ aus meinem Hörer brüllt. „Himmel, ja, ich bin dran. Was? JA! Ja, die Tür ist auf. Nein, nein, nein, ich habe mich nicht umgebracht und… Was? Nein! Nein! Ich habe dich auch nicht vergessen. Ja! komm erst mal rauf. Was? Nein! Wäre ich aus dem Fenster gesprungen hättest du mich unten liegen sehen!“ während Antonia bereits vor mir in der Tür steht schreit sie noch immer wie verrückt in ihren Hörer.

„Du kannst jetzt auflegen du stehst bereits vor mir und ganz ehrlich, den Hörer brauchst du schon seit der ersten Stufe im Treppenhaus nicht mehr.“ jetzt muss ich lachen. Sie steht vor mir, bepackt wie ein Back-Packer der vor hat Australien zu bereisen, ohne dabei auch nur eine Sekunde auf italienische Feinkost zu verzichten. In der einen Hand trägt sie drei Stoffbeutel mit dem Aufdruck „Vino è Amore“ in der anderen eine Tüte der Metzgerei Gassner und einen Korb voll mit Gemüse und Obst, vermutlich Ware vom Viktualienmarkt. Über ihrer Schulter hängt, im echten Donie-Style, eine der größten Louis Vuitton Taschen, die ich je gesehen habe. Aus der ragen ganze 5 Weinflaschen. Was ist denn dann in den Stofftaschen? Und auf dem Kopf blitzen, zwischen den krausen dunkelbraunen Locken, die verspiegelten Gläser der „ray ban“. Antonia at her best.

In meinem ganzen Freundes- und Bekanntenkreis ist meine Donie die einzige die ich kenne, die immer top gestylt ist. Immer.

Selbst wenn sie zuhause den, wie sie es nennt, Staubsauger-Jive tanzt, trägt sie Manolos und Wimperntusche. Der Staubsauger-Jive ist im Übrigen eine großartige Erfindung meiner besten Freundin. Weil sie zwar immer Männer findet, die ihre Shoppingleidenschaft finanzieren, aber noch keinen gefunden hat, der entweder Fitnessstudio oder wenigstens eine Perle für ihre Hütte bezahlt, nutzt sie die Hausarbeit als Workout. Bügel-Rumba, Bodenwisch-Tango und Abwasch-Mambo werden selbstverständlich mit der passenden Musik unterlegt. Beim Zähneputzen dann noch 60 Kniebeugen und die Konfektionsgröße 36 ist gesichert.

Als sie ihre Handtasche abgelegt hat, sehe ich, dass quer über ihrem Oberkörper noch zwei große Reifen in knalligen Farben hängen. „Sag mir sofort, dass das nicht dein Ernst ist?!?“ ich bin völlig entsetzt. Sie will mir in der depressivsten Phase meines Lebens doch nicht im Ernst auch sportliche Aktivität abverlangen? „Erstens meine liebe Puppi, ist es bei weitem nicht deine depressivste Phase. Zweitens, dienen diese zwei herrlich leuchtenden Ringe dank ihrer wundervollen Farben als erstes Mal der Stimmungsaufhellung und drittens, mein liebes Kind, muss dein Kreislauf in Schwung kommen. Und wie ich die Situation hier einschätze reicht da Prosecco nicht aus!“ Ich lasse mich erstmal auf mein Sofa fallen. Sie räumt die Einkäufe in den Kühlschrank und entsorgt im gleichen Atemzug die vorhandenen Antiquitäten der Lebensmittel Industrie.

„Puppi, die Salami und der Käse haben Sammlerwert!“

lacht sie während sie an mir vorbei auf die großen Fenster zusteuert um die Rollos rauf zu ziehen und sie dann sperrangelweit zu öffnen. Ich kneife die Augen zusammen und erst jetzt fällt mir auf, dass es taghell und vor allem wunderschön ist draußen. „Seit wann haben wir so tolles Wetter?“ „Um es genau zu nehmen seit dem Tag, an dem deine Miesmuschel eure heiligen Hallen verlassen hat.“ sie grinst frech aus ihren Locken. Sie nennt Bernhard seit dem ersten Tag Miesmuschel. Warum sie diesen außergewöhnlichen Kosenamen gewählt hat, ist mir zwar bis heute nicht ganz klar, aber weil ich Miesmuscheln für mein Leben gerne mag und sie ihre Nase immer so putzig rümpft, wenn sie das sagt, habe ich auch nie nachgefragt. Auf dem Weg in mein Bad flötet sie dann in meine Richtung „Abflug in die Oase meine Süße. Ich lasse dir jetzt dein Planschbecken ein, dann tun wir was für deinen Kreislauf und danach streicheln wir deine Seele ein bisschen und bis du schaust, klopft des Herzal wieda links!“ Obwohl sich alles in mir wehrt, verziehen sich meine Lippen zu einem Lachen und mein Körper fängt an sich zu bewegen, Richtung Bad. ‚bis du schaust, klopft dein Herzal wieda links‘ hat mein Opa immer gesagt, wenn ich traurig war. Oder wenn ich mir weh getan habe oder, wenn halt grade mal wieder nix so war wie es sein sollte. Wenn eben alles aus der Reihe war.  und genau so sagt es meine Mama heute auch noch und weil es so ein großartiger Satz ist, hat meine Antonia den eben auch gleich übernommen.

Mein Bad ist wirklich eine Oase. Überhaupt ist meine ganze Wohnung ein absoluter Traum. Im 8. Stock über den Dächern von München mit dem den schönsten Blick auf den Oiden Bäda, den Maibaum vom Viktualienmarkt und natürlich die Frauenkirche. Auf meiner riesigen Dachterrasse steht ein gemauerter Grillkamin und meine Küche kann alles außer selber einkaufen gehen. In meiner Oase, also meinem Badezimmer ist eine riesige Eckbadewanne. Größer als viele Planschbecken der Republik. Unzählige Riesenmuscheln, ein paar Kerzen und Steine und warme Farben schenken einem jedes Mal das Gefühl von Urlaub, wenn man das Bad betritt.

Antonia hat das Planschbecken schon eingelassen und es duftet nach Zitrone, Melisse und Olive. Grade als ich in das warme Wasser eintauche dröhnt aus den Lautsprechern der Bose Anlage im Wohnzimmer spanische Musik. Bamboleo von den Gypsy Kings, vermutlich versucht meine bezaubernde beste Freundin gerade im Mambo Schritt den Geschirrbergen in meiner Küche her zu werden. Sie ist einfach die Beste. Ich kann es aber trotzdem nicht hören, halte die Luft an, schließe die Augen und lass mich mit Haut und Haaren unter Wasser gleiten. Wundervoll. Alles ist warm, geborgen und dann im nächsten Moment und obwohl ich gerade anfange alles so zu genießen schrecke ich hoch.

Diese Bilder. Ich werde diese Bilder einfach nicht los.

Wie er dieses kleine Mädchen festhält und sie sich nicht wehren kann. Dieser große Mann, mit seinen dunklen Haaren und seinen breiten Schultern. Das kleine Mädchen ist nicht besonders hübsch, aber irgendwie niedlich. Ihre dichten blonden Haare stehen in alle Richtungen und ihre blauen Augen sind mit Tränen gefüllt. Ich habe den Mann noch nie gesehen und er sieht auch niemand ähnlich den ich kenne. Das Mädchen kenne ich aber auch nicht. Ich sehe nur immer das sie Angst hat. Schreckliche Angst. Und dieser Mann ist so stark. Sie kann sich nicht befreien aus seinem Griff. Ich tauche auf und Antonia steht schon vor mir „Du siehst sie schon wieder, stimmt’s?“ im ersten Moment kann ich gar nicht antworten. Der Badeschaum auf meinem Gesicht vermischt sich mit Tränen und ich schnappe nach Luft „ich kenne dieses Mädchen überhaupt nicht. Ich weiß nicht wer sie ist. Aber ich weiß auch nicht wer dieser Mann ist. Ich würde ihr so gerne helfen. Aber ich kann nicht. Jedes Mal, wenn ich in die Nähe dieses Mannes komme, schrecke ich wieder auf.“ Donie hält mir mein großes Badehandtuch hin und ich steige aus der Wanne. Ich zittere am ganzen Körper und mir ist auf einen Schlag eiskalt.

Nachdem ich mich abgetrocknet habe, wickle ich mich in meinen Bademantel ein und schlurfe aus dem Bad zur Couch. Seit einigen Wochen habe ich diesen Traum oder besser diese Bilder. Es ist fast immer das Gleiche. Ein kleines blondes Mädchen. Ein bisschen dick. Nicht das typische rotbackige Kind aus der Werbung, aber irgendwie ist sie süß. Der Mann ist groß, hat einen dicken Bauch und dunkle Haare. Ein breites Kreuz und verhältnismäßig kleine Hände. Der Ort wo ich die beiden sehe ist nicht immer der Gleiche. Mal ist es ein Zimmer in dem ein Kanapee steht. Daneben ein Tisch mit einer Nähmaschine. Das nächste Mal ist es ein kleines Badezimmer mit gelben Fliesen, einer Badewanne und einem Holzschemel vor dem Waschbecken. Oder es ist der Garten einer Finca in Spanien. Direkt hinter dem Gartenzaun beginnt der kurze Strand der in das seichte ruhige Meer führt. Das Mädchen läuft aber nie weg. Obwohl es könnte. Es bleibt einfach dastehen. Wartet bis der Mann sie festhält. Sie schreit auch nie. Sie weint. Lautlos. Kleine Tränen laufen über ihr blasses Gesicht. Ich schreie dann manchmal. Schreie den Mann an, er soll sie loslassen. Aber der hört mich einfach nicht. Ich laufe auf ihn zu. Will ihn wegziehen. Aber kurz bevor ich ihn erreiche wache ich wieder auf, schrecke hoch oder das Bild verblasst einfach nur in meiner Vorstellung.

Früher, vor einigen Jahren, habe ich auch schon mal davon geträumt. Aber das hat dann irgendwie wieder aufgehört. Jetzt ist es wieder da. Und es kostet mich viel Kraft. „PAULA! Hörst du mir eigentlich zu?“ „Ich, was? Ja! Nein! Also ich meine, Sorry, was hast du gesagt?“ Antonia kniet vor mir, hat ihre Hände auf meine Knie gelegt und schaut mich an. „Puppi, du musst auf andere Gedanken kommen. Er ist weg. Das ist jetzt so, aber davon geht die Welt nicht unter und wenn ich mich nicht täusche ist es dir ja auch gar nicht so unrecht, dass er gegangen ist. Bernhard ist ein lieber Kerl, aber dass des nicht auf ewig hält haben wir doch alle gewusst. 7 Tage einsperren und traurig sein ist genug, da draußen wartet das Leben auf dich. Es ist Frühling, die Vögel zwitschern in ihren Nestern, die Bäume fangen an zu blühen und die Isar leuchtet auch schon wieder Smaragd-grün. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann habe ich den ein oder anderen Lederhosenjunkie auch schon aus dem Gehölz lugen sehen.“

Bei dem Ausdruck Lederhosenjunkie fangen ihre Augen an, wie Swarovski Steine zu leuchten. Antonia ist zwar wie ich auch in München geboren, aber ihre Mama kommt aus Italien und ihr Papa vom linken Niederrhein. Sie hat von Haus aus also mit Lederhosen so viel Berührungspunkte wie ein Sauerbraten mit Lambrusco.

Aber sie ist der felsenfesten Überzeugung, wenn ein Mann in Lederhosen gut ausschaut, kann er alles tragen und vor allem auch nix! Das ist ihr meistens noch wichtiger.

Und weil sie eben Elternhausbedingt keinerlei Plan von Lederhosen und deren Tradition hat, darf es bei ihr auch mal die Krachlederne mit Chucks und Polohemd sein, Hauptsache das Innenfutter macht was her. Aloha Bavaria!

…Fortsetzug folgt Teil 2

2 thoughts on “Mein Karma braucht Kaffe – 1

  1. Servus Pauline???,
    Du schreibst sehr schön und interessant ????lauda coole??? Guada ?✍?super lässig geschriebene Texte/Geschichten?☯??⛲️??-auch sehr herzlich????…bitte weiter so??…schicke Dir ganz viel Freude?Energie??Kraft??und Lust zum Leben???…
    Herzliche?Grüße Bernhard Heigl ?????

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